„Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende“

33. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B; Mk 13,24-32)

„Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende“, dieses Zitat, das meistens dem Schriftsteller Oscar Wilde zugeschrieben wird, drückt die Sehnsucht des Menschen nach einem Happyend aus — oder eher theologisch gesprochen: die Sehnsucht nach Vollendung. Gleichzeitig sind wir alle mit der Ungewissheit der Zukunft konfrontiert. Sicher, manchmal spürt man diese weniger, alles ist irgendwie okay, läuft, wie man es erwartet, aber — vielleicht ein wenig zynisch gesagt — das ist die Ruhe vor dem Sturm, jeder Mensch bekommt gelegentlich die Ungewissheit der Zukunft zu spüren, muss mit Erlebnissen ringen, die man sich eher nicht gewünscht hat. Was hilft uns also, mit der Ungewissheit der Zukunft umzugehen? Was hilft uns zu glauben, dass am Ende doch alles gut wird?

Am Ende des Kirchenjahres begegnen uns vor allem die biblischen Texte, die das Ende der Welt thematisieren. In Bildern, die uns heute fremd geworden sind, aber gerade die überwältigende Macht dieses Ereignisses deutlich machen sollen, verheißt die Bibel, dass unsere Welt nicht einfach ins Nichts fallen wird, dass sie nicht nur beendet, sondern eben vollendet wird — durch den Menschensohn, d.h. durch Christus, den menschgewordenen Gott. Dass die Welt zu Ende gehen wird, ist eine Tatsache: einerseits in einem individuellen Sinne durch den eigenen Tod, andererseits hat die Naturwissenschaft inzwischen entdeckt, dass auch die Sonne irgendwann abkühlen und damit Leben auf der Erde nicht mehr möglich sein wird. Das sind sozusagen die äußeren Bedingungen, es wird also zweifellos ein Ende geben, aber gibt es auch Vollendung, wird am Ende alles gut? Ganz offensichtlich erhofft sich der Mensch, dass sein Leben mehr ist als etwas, das einfach nur abbricht, zu Ende geht, mehr oder weniger schnell vergessen wird. Der Mensch erhofft sich eine irgendwie bleibende Gültigkeit auch seines Lebens. Auch in der Sehnsucht nach Gerechtigkeit steckt diese Sehnsucht nach einer letzten Vollendung — jenseits der menschlichen Möglichkeiten. Was wäre das für eine Gerechtigkeit, bei der all die Opfer der Geschichte am Wegesrand zurückblieben? Die Sehnsucht ist da, aber sie ist keine Gewähr dafür, dass sie erfüllt wird. Wie eingangs gesagt, gibt es ja Momente, in denen man die Ungewissheit der Zukunft nicht so drängend wahrnimmt. Oft liegt das daran, dass man ein Ziel erreicht hat, vielleicht privater, vielleicht beruflicher Natur. Man ist zufrieden, verspürt ein Angekommen-Sein, alles ist gut. Doch das Leben geht weiter, hat neue Höhen und auch Tiefen zu bieten. Und doch liegt in manchen vorläufigen Zielen — vorläufig, weil das Leben weitergeht — ein Überschuss, eine Ahnung von etwas Größerem, von einem letzten, wirklich endgültigen Ziel. Auch wenn man weiß, dass das Leben weitergeht, so nimmt man doch gelegentlich wahr, dass etwas Endgültiges in einem vorläufigen Ziel liegt: beispielsweise die Vergebung, die ein anderer mir zugesprochen hat und die heilende Kraft in meinem Leben entfaltet, oder eine Wahrheit, die mir aufgegangen ist, deren bleibende Gültigkeit ich einsehe. So liegt in unseren vorläufigen Zielen — jedenfalls immer wieder — ein Überschuss, in dem wir schon etwas wahrnehmen von jener endgültigen Vollendung, die noch aussteht. Es ist also durchaus nicht unvernünftig, an eine solche Vollendung zu glauben, weil der Mensch sie eben nicht nur ersehnt, sondern irgendwie auch wahrnimmt — wenn auch äußerst bruchstückhaft und verschleiert.

Das Vertrauen, dass diese Welt vollendet wird, also ein gutes Ende nimmt, mag manche Ungewissheiten angesichts der Zukunft leichter ertragen lassen, aber es bleibt dennoch viel an Unsicherheiten, ja an Ängsten. Jesus nimmt darauf im Evangelium ganz offensichtlich Bezug, indem er die Menschen auf das Wachsen und Reifen der Natur aufmerksam macht, das sie doch gewohnt sind zu deuten. Zukunft ist nicht nur Fremdes, sondern immer auch etwas, das sozusagen aus meiner Situation, ja aus mir herauswächst und -reift. Es mag Unsicherheiten — vielleicht sogar Ängste — mindern, wenn man sich klar macht, dass Zukunft nie nur das Ungewisse, das mich überfällt, sondern eher Begegnung ist — zwischen mir und dem, was auf mich zukommt, und das, was mich angeht, da habe ich Einfluss. Ein bisschen vereinfacht gesagt: ob ich weglaufe oder mich stelle, bestimme ich. Zukunft ist etwas, das auch durch die Art, wie ich wachse und reife, beeinflusst wird. Zukunft ist Begegnung zwischen mir und dem, was kommt. Wie ich mich dieser Begegnung stelle, kann ich beeinflussen.

Wenn ich Zukunft so als Begegnung deute, ist das auch wieder ein Fingerzeig, dass das Evangelium recht hat. Die Vollendung der Welt ist eben nicht das Überschreiten einer Ziellinie wie bei einem Marathonlauf, sondern geschieht in der Begegnung mit dem lebendigen Gott. Wie sollte der Mensch auch sonst vollendet werden? Ist nicht jedes auch vorläufige Ziel, bei dem Endgültigkeit durchschimmert, eine Art von Begegnung?

Ich glaube, es kann eine ganz konkrete Hilfestellung im Ringen mit herausfordernden, belastenden Ereignissen sein, wenn man sie sich als Begegnung zwischen mir und einem Unbekannten vorstellt, wenn man sich also ausmalt, die unvertraute Situation sei ein Jemand, der mir etwas sagen möchte. Was sagt mir die Situation? Wenn man sich das in Ruhe vorstellen kann, liegt möglicherweise auch die Antwort nicht mehr fern.

Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende — das erhoffen sich wohl die meisten Menschen, während sie mit der Ungewissheit der Zukunft ringen. Der christliche Glaube verspricht uns, dass die Welt eben nicht nur beendet, sondern vollendet wird. In unseren vorläufigen Zielen liegt — jedenfalls immer wieder — ein Überschuss, in dem wir schon etwas wahrnehmen von jener endgültigen Vollendung, die noch aussteht. Es ist also durchaus nicht unvernünftig, an eine solche Vollendung zu glauben, weil der Mensch sie eben nicht nur ersehnt, sondern irgendwie auch wahrnimmt — wenn auch äußerst bruchstückhaft und verschleiert. Zukunft ist nie nur das Fremde, sondern Begegnung zwischen mir und dem, was auf mich zukommt. So bleibt mir ein Spielraum, ich kann entscheiden, wie ich mich verhalte. Am Ende kann alles gut werden, weil der lebendige Gott selbst mir begegnet.