Hoffnung durch das Gericht!

1. Adventssonntag (Lesejahr A; Jes 2,1-5; Mt 24,29-44)

„Schwerter zu Pflugscharen“ — so hieß ein Motto der Friedensbewegung in den 80er Jahren in Ost- und Westdeutschland. Das ist ein Beispiel dafür, dass die Friedensvision des Propheten Jesaja, die wir heute gehört haben, ganz offensichtlich Hoffnung und Engagement inspirieren kann. Im Evangelium begegnet uns allerdings ein anderes Bild: Weltuntergang, Überraschung, Gericht. „Darum haltet auch ihr euch bereit, denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.“ Offenbar verliert unsere Botschaft aber an Glaubwürdigkeit, wenn sie zwischen Hoffnung und Frieden auf der einen Seite und Gerichtsdrohung auf der anderen Seite hin- und her schwankt. Was also ist unser Evangelium, unsere Frohe Botschaft — Hoffnung oder Gericht?

Oft wird der Religion ja vorgeworfen, dass sie eher nicht zum Frieden beiträgt, sondern Auseinandersetzungen zwischen Menschen, ja sogar Krieg und Gewalt befördert. Abgesehen davon, dass es sich bei Gewalt um einen Missbrauch wahrer Religion handelt, indem der Mensch diese durch seine Machtgelüste gewissermaßen infiziert, behauptet das Evangelium, dass Friede als Vollendung dieser Welt überhaupt nicht durch menschliche Anstrengung hergestellt werden kann — auch nicht durch religiöse. Das Chaos, die Gewalt, die Tragödien, das Bruchstückhafte unseres Daseins — all das kann schlussendlich und umfassend nicht durch uns Menschen geheilt werden, so sehr wir uns auch anstrengen. Dies drücken die uns vielleicht befremdenden Bilder der Erschütterung und des Untergangs im Evangelium aus. Heilung und Vollendung kommen letztlich nicht aus menschlichen Anstrengungen, sondern aus Gott, der einbricht in unsere Welt: die Hoffnung, die wir zu verkünden haben, ist eine Hoffnung, die ganz und gar auf Gott setzt.

Doch die Spannung bleibt: zwischen der beinah brutalen Gerichtsszene und der Hoffnung, die die Vision des Propheten vermittelt. Doch näher besehen ergibt sich — so bin ich überzeugt — eine Verwandtschaft zwischen dem, was auf den ersten Blick gar nicht zusammengeht. Betrachten wir die Hoffnung ein wenig näher. Sie ist oft etwas Verschwommenes, Emotionales: irgendwie soll alles oder wenigstens etwas besser werden, ein Türchen soll sich öffnen, eine Fee, die alles verwandelt oder wenigstens drei Wünsche anbietet — ich spitze zugegebenermaßen ein wenig zu. Wenn man die Hoffnung von solcher rosaroten Verkleidung befreit, bleibt doch der Wunsch, die Sehnsucht, dass etwas korrigiert, verbessert wird, dass die Richtung geändert wird, damit alles zu einem guten Ziel führt. Im letzten Sinne meint die Botschaft vom Gericht nicht anderes: Korrektur, Richtungsänderung zu einem guten Ziel. Warum das dann eher brutal klingt? Weil solche Korrektur im wahren Leben gar nicht so einfach ist — und oft genug einen harten Einschnitt bedeutet. Vielleicht träumt mancher von der guten Fee, die ihm drei Wünsche verspricht, doch wenn im wirklichen Leben sich etwas ändern soll — ja, das geht nicht so einfach. Da braucht es manchmal den harten Schnitt, damit alles zu einem guten Ziel kommt. Die Alternative „Hoffnung oder Gericht“ ist eine falsche. Unsere Botschaft ist Hoffnung durch Gericht!

Das Seltsame an unserer menschlichen Hoffnung ist oftmals, dass es einerseits Träumereien sind, alles könnte so schön sein, dass wir Menschen aber — ich wage diese Verallgemeinerung — zögerlich werden, sobald es konkret wird. Veränderungen zum Besseren ja — aber nur zu meinen Bedingungen. Eigentlich möchte ich — mehr oder weniger — so bleiben, wie ich bin, meine Gewohnheiten beibehalten, vor allem die anderen sollten sich ändern: netter und aufmerksamer werden. Hoffnung heißt immer wieder, dass Menschen genaue Vorstellungen haben, was sie festhalten möchten und was anders werden soll. Das Evangelium des Tages erinnert uns daran, dass die Erfüllung echter Hoffnung etwas anderes ist: ein Neu-Werden, das das, was uns lieb geworden ist, ebenfalls erschüttert. Und — seien wir ehrlich — kann es anders sein? Ist es nicht so, dass diese oder jene Gewohnheit, vielleicht sogar manche Freundschaft Teil des Problems geworden sind? Weil sie uns lähmen? Weil eine sogenannte Freundschaft nur darin besteht, über andere zu lästern? Die Erfüllung von Hoffnung ist immer auch Erschütterung des Gewohnten, das eben auch von unserer Trägheit und unserer Blindheit für das Gute infiziert ist. Auch die auf den ersten Blick so idyllische Friedensvision des Propheten Jesaja deutet das zumindest an. Wenn die Völker und Nationen sich auf den Weg zum Herrn machen, ist das auch eine radikale Umkehr und Neuausrichtung. Der Herr „wird Recht schaffen . . . und . . . zurechtweisen“, heißt es da, auch hier ist vom Gericht die Rede.

Die Hoffnung, die wir zu künden haben, ist eine Hoffnung, die ganz und gar auf Gott setzt, eine Hoffnung durch Gericht und wirkliches Neu-Werden. Ist das aber nicht eine Einladung, die Hände in den Schoß zu legen? Gott wird’s schon richten?! Sowohl Jesus als auch der Prophet Jesaja sprechen ja nicht in einen luftleeren Raum. Sie sprechen zu Menschen, um sie wachzurütteln, um ihnen Hoffnung zu geben. Von Gott her kommt Großes auf euch zu, seid wachsam, bereitet ihm den Weg — so könnte man ihren Weckruf umschreiben. Hoffnung ist keine Hoffnung, wenn sie lähmt. Es geht darum, sie auch zu erkennen, wo sie im Kleinen auf- und anbricht, Erfüllung von Hoffnung eben nicht abzublocken, weil auch Gewohntes erschüttert und verändert wird, sondern sie willkommen zu heißen. Das erfordert Mut, und den wollen der Prophet und Jesus geben, indem sie daran erinnern, dass letzte Vollendung nicht wir Menschen schaffen, sondern Gott allein.

Die Hoffnung, die wir haben und verkünden, setzt auf ihn, auf Gott, es ist eine Hoffnung durch Gericht und durch Neu-Werden. Wenn wir die Hoffnung von ihrer rosaroten Verkleidung befreien, dann ist sie doch auch die Sehnsucht nach Verbesserung, nach Richtungsänderung zu einem guten Ziel hin, nichts anderes meint im Letzten das Gericht. Das geht eben nicht so einfach, wie man das sich wohl gelegentlich erträumt. Man wünscht sich nur Bestimmtes, was häufig gerade die anderen betrifft, solle sich ändern, doch so geht es nicht. Auch unsere Gewohnheiten sind gewissermaßen infiziert — durch Trägheit, Blindheit für das Gute. Die Erfüllung von Hoffnung ist Erschütterung des Gewohnten. Jesus will, dass wir ihr deshalb nicht ausweichen, er will uns wachrütteln, damit wir bereit sind für die Erfüllung der Hoffnung.