Wer will schon verzichten, um irgendwann vielleicht belohnt zu werden?

25. Sonntag im Jahreskreis (Lk 16,1-13)

Die meisten Sprich- und Bildworte unserer Sprache sind der Bibel entnommen, so auch die Rede vom Mammon als der gefährlichen Kraft des Geldes. „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“, sagt Jesus. Er stellt sogar den unehrlichen Verwalter als Vorbild vor, weil der nicht davor zurückschreckt, sich mit Geld auf unehrliche Weise Freunde zu machen. Jesus versucht offenbar zu provozieren: Seht her, dieser unehrliche Kerl ist klüger als ihr, der weiß, wie man es macht, während ihr euer Geld ängstlich hortet. Nun, man könnte dann ebenso provokativ zurückfragen: Was ist die Alternative? Wenn alle betteln, gibt es keinen mehr, der spendet! Darf man als Christ also überhaupt noch Geld verdienen oder besitzen — weil man ansonsten quasi automatisch dem Mammon verfällt?

In dieser Zuspitzung ist das natürlich eine rhetorische Frage, irgendwie muss der Mensch seinen Lebensunterhalt bestreiten. Der Apostel Paulus tat dies, indem er neben seiner Lehrtätigkeit als Zeltmacher arbeitete. Von Jesus und den Jüngern heißt es im Lukas-Evangelium, dass sie von einigen wohlhabenden Frauen unterstützt wurden, und das Johannes-Evangelium erwähnt beiläufig, dass Jesus und die Apostel eine gemeinsame Kasse hatten. Offenbar ist Jesus aber der Auffassung, dass es eine Grenze gibt, jenseits derer ich nicht mehr besitze, sondern viel eher von meinem Besitz besessen und Sklave des Geldes werde. Das mag stimmen — aber wo liegt diese Grenze? Wann ist es besser zu verzichten? In früheren Tagen hat man der Kirche oft vorgeworfen, mit ihren Verboten und ihrem Aufruf zum Verzicht den Menschen das Leben zu vermiesen und sich in ihre höchstpersönliche Freiheit einzumischen. Was früher an der Kirche aufs schärfste verurteilt wurde, erwacht nun unerwartet zu neuem Leben: Verbote und Verzicht werden allenthalben gefordert, doch nun um des Klima- und Umweltschutzes willen. Also alles kein Problem, weil Verzicht wieder modern wird? Ich glaube, dass in solchen Vorhersagen ein Denkfehler steckt, den auch die Kirche zu lange gemacht hat. Verzicht ist etwas, das dem Menschen zu allen Zeiten schwer fällt, deshalb ist der Mensch — allgemein gesprochen — eher nicht bereit, jetzt auf etwas zu verzichten, um in ferner Zukunft vielleicht dafür belohnt zu werden — gleichgültig ob die Belohnung das ewige Leben oder eine mehr oder weniger intakte Umwelt ist. Gewiss, es gibt immer Menschen, die dazu bereit sind, bei manchen gelingt es eine Zeitlang, aber aufs Große und Ganze gesehen wird es nicht funktionieren. Also doch kein Verzicht, werden wir doch Sklave des Besitzes?

Schauen wir nochmal genau auf das, was Jesus sagt. Die Alternative zum Besessen-Werden durch den Besitz ist die Beziehung zu Gott. Der Mammon erscheint hier als eine Art falscher Gott, der den Menschen zerstört. Der Unterschied zwischen den falschen Göttern und dem wahren Gott, den Jesus verkündet, liegt darin, dass die falschen Götter niemals zufrieden sind. Sie wollen immer mehr von uns Menschen, noch mehr Zeit muss aufgebracht werden, noch mehr Geld muss verdient werden. Du könntest noch mehr Einfluss haben, einen noch besseren Posten als bei der letzten Beförderung: Das sind die Stimmen der falschen Götter. Sie fordern mehr: mehr Genuss, mehr Verzicht — was auch immer. Man kann das so auf vieles übertragen, auch auf religiöse Praktiken. Buddha hat am Anfang seines Weges so lange gehungert, bis er fast gestorben wäre, erst dann erkannte er, dass dies nicht der richtige Weg ist. Der einzige für den dies nicht gilt, ist der Gott, den Jesus verkündet. Ihm müssen wir nicht Geld oder Besitz oder Erfolg oder welchen  Verzicht auch immer bringen — er will nur, dass ich ihm mit offenem Herzen begegne, denn er tut dasselbe. Er fordert zunächst nichts, sondern gibt: sich selbst. In Jesus begegnet er uns auf Augenhöhe. Das Neue Testament ist voll von Berichten, wie Menschen die Begegnung mit Jesus als heilend, befreiend und ermutigend erfahren. Der Gott Jesu Christi will nur, dass ich ihm mit offenen Herzen begegne — so wie ich bin, mit meinen Sorgen und Nöten, meinen Stärken und Schwächen, meinem Mut und meiner Angst, denn er begegnet mir in Jesus genauso offen. In ihm begegnet mir Gott, so wie er ist, auf Augenhöhe. Verzicht bedeutet dann nicht, dass ich irgendwann eine Belohnung erhoffe, sondern ich schaffe beiseite, was mich besetzt und an dieser Begegnung hindert.

Die Grenze, ab der ich nicht mehr besitze, sondern von meinem Besitz besessen werde, ist nur in der offenen Begegnung mit ihm, der sich in Jesus zeigt und schenkt, zu finden. Ich weiß, das klingt ein bisschen schwammig, aber in den entscheidenden Fragen des Daseins gibt es keine mathematisch exakten Lösungen. Ich will aber versuchen mit ein paar kurzen Fragen eine Hilfestellung zu geben, um diese Grenze zu finden. Kann ich einem Freund in Not einen größeren Geldbetrag schenken oder leihen— was das in meiner jeweiligen finanziellen Situation auch ist —, auch wenn ich wahrscheinlich nichts zurückbekomme? Könnte ich ertragen, dass ein Fremder, mit dem ich ins Gespräch komme, denkt, ich sei beruflich nicht erfolgreich oder vielleicht gar arbeitslos? Könnte ich ertragen, dass er mit dieser Vermutung weggeht? Oder muss ich das zwanghaft klarstellen — eben weil ich mich über Besitz und Erfolg definiere? Kurze Anstöße, über die jeder selbst nachdenken kann.

Gewiss muss auch ich als Christ Geld verdienen, um leben zu können, doch Jesus weist daraufhin, dass es eine Grenze gibt, ab der ich eher von meinem Besitz besessen werde als umgekehrt. Verzicht ist allerdings nicht so einfach, die falschen Götter fordern immer mehr. Nur der Gott Jesu Christi tut dies nicht, er will nur, dass ich ihm mit offenem Herzen begegne, so wie auch er mir in Christus begegnet. Verzicht heißt nun den Blick frei zu bekommen für die Begegnung mit ihm, dem lebendigen Gott.