Auch heute gibt es göttliche Zeichen

4. Adventssonntag (Lesejahr A; Jes 7,10-14; Mt 1,18-24)

Wenn es doch so einfach wäre! Vielleicht ist das auch Ihre spontane Reaktion, wenn Sie die Lesung aus dem Buch Jesaja hören. Wie oft sehnen sich Menschen nach einem göttlichen Zeichen, vielleicht weil sie sich fragen, welche Richtung sie ihrem Leben geben sollen, oder ob es Gott überhaupt gibt. Wie schön wäre es, wenn dieser Gott dann ein Zeichen senden könnte! Und dann bekommt dieser König Ahas ganz locker ein Angebot. „Erbitte dir ein Zeichen vom Herrn, deinem Gott.“ Leider ist mir das noch nicht passiert — und Ihnen wahrscheinlich auch nicht. Gibt es überhaupt so etwas: ein Zeichen Gottes — auch heute, für mich, für uns?

Aus diesem Blickwinkel überrascht die Antwort des Königs ganz besonders. Er will gar kein Zeichen! Und er hat auch noch eine nette, fromm klingende Antwort. Er will Gott ja nicht auf die Probe stellen. Der Prophet ist verärgert, und es ist ja auch ein wenig seltsam, wenn einer quasi frömmer sein will als Gott selbst, indem er den Propheten belehrt, ob ein solches Zeichen nun angemessen sei oder nicht. Was treibt den König da, warum lehnt er das Zeichen ab? Ganz einfach: Das Ganze spielt in einer politisch heiklen Situation, der König will die Großmacht Assur zu Hilfe rufen und sich in seine Pläne nicht reinreden lassen. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? Auch wenn man keinen Staat zu lenken hat, denkt man wohl mal, ach, könnte sich Gott doch zeigen, dann wäre es viel leichter zu glauben, leichter zu entscheiden, aber eigentlich — so wage ich zu behaupten — haben wir doch oft eine klare Vorstellung, wie die Dinge laufen sollen. Das göttliche Zeichen soll selbstverständlich nur bestätigen, was wir schon als das Beste ausgemacht haben. Was wäre, wenn aber Gott eine eigene Meinung hat? Wenn das göttliche Zeichen sagt: Du bist auf dem falschen Weg? Wenn ich also nach einem göttlichen Zeichen Ausschau halte, muss ich damit rechnen, dass dies nicht so ausfällt, wie es mir passt.

König Ahas nun also bekommt sein Zeichen, es geht mit den göttlichen Zeichen nicht so, dass ich da einfach wie im Restaurant nach Lust und Laune auswählen kann. „Siehe, die Jungfrau hat empfangen, sie gebiert einen Sohn“, und dieses Kind wird den Namen Immanuel bekommen, was auf Deutsch „Gott mit uns“ bedeutet. Exegeten — also Theologen, die sich schwerpunktmäßig mit der Auslegung der Bibel befassen — rätseln, was dieses Zeichen ursprünglich für den König bedeuten sollte. Vielleicht geht es um eine Frau aus dem Umfeld des Königs oder des Propheten, die ein Kind bekommen sollte? Der Evangelist Matthäus hat dieses Wort des Propheten rund 800 Jahre später als Verheißung der Geburt Christi gedeutet. Auf jeden Fall ist es für den König eine schwierige Sache. Die Geburt eines Kindes — sei es in naher oder ferner Zukunft — ist keine große Hilfe in bewegten politischen Zeiten. Hier liegt — so glaube ich — auch für uns ein Fingerzeig. Ein göttliches Zeichen ist nicht einfach etwas Großes, Zwingendes. Es ist eher wie die die Geburt eines Kindes, es ist etwas Kleines, etwas Keimendes, etwas, das anfängt. Ich muss also nach solchen kleinen Anfängen in meinem Leben Ausschau halten. Gibt es in meinem Leben etwas, das beginnt, ohne dass ich ihm allzu viel Beachtung geschenkt hätte? Gibt es in meinem Leben etwas, das ich eher beiseite geschoben habe, von dem ich aber doch sehe, dass es wächst und reift? Verschließe ich manchmal bewusst die Augen, weil ich alles beim Alten lassen will — auch wenn es nicht geht? Ich glaube, es sind solche Fragen, die wir uns stellen müssen, wenn wir nach dem göttlichen Zeichen für unser Leben suchen.

Doch diese Suche nach göttlichen Zeichen hat auch ihre Tücken. Man kann - vereinfacht gesagt - zwei Extremen zum Opfer fallen. Das eine Extrem resultiert aus der Enttäuschung, dass Gott sich nicht einfach und gemäß meinen Erwartungen zeigt, und bestreitet, dass von Gott überhaupt etwas erfahrbar ist, das andere Extrem will quasi die ganze Wirklichkeit ununterbrochen als ein höheres Zeichen verstehen und vernachlässigt dabei die unmittelbare Wirklichkeit. In gewisser Weise spiegelt sich diese Gefahr auch im Umgang der Kirche mit den beiden großen vorchristlichen Denkern wider, die die Theologie in den vergangenen Jahrhunderten beeinflusst haben: Platon und Aristoteles. Von der Antike bis ins Mittelalter war vor allem die Lehre des Platon prägend, im 13. Jahrhundert war es in besonderem Maße Thomas von Aquin, der das Denken des Aristoteles in die Theologie einführte und aufzeigte, dass das Nachdenken über den Glauben diese Ergänzung braucht. Ein wenig holzschnittartig vereinfacht, ist Platon der, der betont, dass die eigentliche Wirklichkeit unsichtbar hinter den Dingen liegt, während Aristoteles von der unmittelbaren, sozusagen handgreiflichen Wirklichkeit ausgeht. Thomas hat gezeigt, dass wir hier nicht in Extreme verfallen dürfen. Weder ist die Welt nur eine Theaterkulisse, die nur auf die eigentliche, unsichtbare Wirklichkeit verweist, noch besteht sie nur aus dem, was der Mensch messen, zählen und wiegen kann. Wenn ich nach göttlichen Zeichen suche, muss ich diese Extreme vermeiden. Gerade indem ich mein Leben als handgreifliche, unmittelbare Wirklichkeit erlebe, kann ich darin vielleicht auch ein göttliches Zeichen erkennen. Nicht indem ich Erfahrungen verdünne und ausschließlich als höheres Zeichen verstehe, sondern indem ich Erfahrungen in ihrer Unmittelbarkeit ernst nehme, kann ich darin wohl auch einmal etwas von Gottes Wirken erfahren.

Ja, ich bin überzeugt, dass wir auch heute Gottes Wirken in unserem Leben erfahren dürfen. Aber Vorsicht, das Beispiel des Königs Ahas zeigt es uns: Ein solches Zeichen ist nicht immer nur Bestätigung unserer eigenen Pläne. Ahas bekommt die Geburt eines Kindes als Zeichen: Ein göttliches Zeichen ist nicht einfach etwas Großes, Zwingendes. Es ist etwas Kleines, etwas Keimendes, etwas, das anfängt. Ich muss also nach solchen kleinen Anfängen in meinem Leben Ausschau halten, gerade nach denen, denen ich bisher keine oder kaum Beachtung geschenkt habe. Das Leben ist aber weder nur das, was ich messen kann, noch einfach nur eine Ansammlung göttlicher Zeichen ohne eigene Wirklichkeit. Gerade indem ich Erfahrungen in ihrer unmittelbaren, handgreiflichen Wirklichkeit ernst nehme, kann sich eine tiefere Wirklichkeit zeigen. Möge Gott uns seinen Geist geben, damit wir zu unterscheiden lernen.