Wie komme ich zur unbezweifelbaren Erfahrung, dass es Gott gibt?

Christi Himmelfahrt (Lesejahr C; Apg 1,1-11; Hebr 9,24-28; 10,19-23)

Gibt es Gott wirklich? Und wenn ja, wie komme ich zu einer unbezweifelbaren Erfahrung, dass es ihn gibt? Und wenn ich krank bin, wird Jesus ein Wunder wirken, um mich zu heilen? Wer endgültige, alle Zweifel ausräumende Antworten auf diese und ähnliche Fragen erwartet, wird vom christlichen Glauben enttäuscht. Stattdessen kann man sich im Katechismus — ja, so etwas gibt es tatsächlich noch — oder wer es moderner möchte: auf der offiziellen Homepage der katholischen Kirche beispielsweise über die sieben Sakramente informieren. Lehren wir als Kirche ein Wissen, das keinen interessiert — während wir die echten Fragen unbeantwortet lassen?

Wahrscheinlich würden die allermeisten Menschen diese Frage bejahen — vielleicht sogar die Apostel. 40 Tage — so sagt es die erste Lesung — hat Jesus zu den Aposteln vom Reich Gottes gesprochen, und was ist das Ergebnis? Nein, sie reden nicht vom Heiligen Geist, der sie in alle Welt senden wird. Sie glauben, jetzt endlich erhebt sich Israel als neues und mächtiges Reich, vielleicht träumen sie davon in diesem neuen Israel mächtige Ämter zu besetzen. Es scheint, als habe auch schon Jesus das falsche Wissen verbreitet — jedenfalls nicht das, was die Apostel wirklich interessiert. Woher kommt dieser Unterschied zwischen dem, was Menschen wissen wollen und dem, was wir als Kirche lehren?

Schauen wir auf unsere menschlichen Beziehungen, dann wird es klarer. Auch da gibt es — so möchte ich es jetzt nennen — ein Wissen ü b e r den Menschen und ein Wissen v o m Menschen. Das Wissen ü b e r den Menschen zeigt sich in Gesprächen wie: Hast du schon gehört, der und der hat sich von seiner Frau getrennt, angeblich soll Alkohol im Spiel sein. Oder: Weißt du es schon, der da hat seinen Arbeitsplatz verloren? Das alles macht Menschen neugierig und ist spannend. Warum eigentlich? „Wissen ist Macht“, sagte am Beginn der Neuzeit Francis Bacon. Ich darf mich durch solche Informationen wichtig fühlen, kann sie großmütig unter dem Siegel der Verschwiegenheit so lange weitererzählen, bis es alle wissen. Macht zu haben ist offensichtlich eine tiefe Sehnsucht des Menschen, sie gibt ihm festen Stand in den Stürmen des Lebens und seinem vergänglichen Dasein Sinn und Bedeutung — so glaubt der Mensch jedenfalls, doch eigentlich belehrt uns das Leben eines Besseren. Unser Leben bleibt zerbrechlich. Anders ist das Wissen v o m Menschen. Damit meine ich nicht vermeintlich spannende Einzelheiten aus seinem Leben, sondern indem ich einem Menschen zuhöre, indem er mir selbst von dem erzählt, was ihm wichtig ist — vielleicht weil er einen Rat braucht oder sich einfach mal aussprechen will —, so erfahre ich von ihm. Da erfahre ich möglicherweise keine so spannenden oder deftigen Einzelheiten, aber ich erfahre etwas, das diesen Menschen bewegt, so entsteht Nähe und echte Begegnung. Ich bin überzeugt, dass dies auch in dem, der zuhört, etwas verändert. Sein Leben wird tiefer und reicher. Wissen ü b e r einen Menschen mag spannend sein, Macht versprechen — aber die bleibt letztlich hohl und leer. Wissen v o n einem Menschen, ihm ernsthaft begegnen und zuhören, das vertieft und stärkt das Leben.

Diese Erfahrung lässt sich auf unsere Beziehung zu Gott übertragen. Der Mensch will Wissen ü b e r Gott, handfeste Einzelheiten, ob man wirklich mit einem Wunder rechnen darf usw. Letztlich geht es dabei auch um Macht, um Macht über Gott. Ich habe doch einen Anspruch! Das ist ein uraltes Bedürfnis des Menschen, schon die ersten religiösen Rituale der Naturreligionen, aber auch Magie und Aberglaube versuchen, das Göttliche zu beeinflussen. Doch dieses Wissen ü b e r Gott begründet keine Beziehung, so wenig wie das vorher von mir beschriebene Wissen über den Menschen. Es ist das Wissen v o n Gott, das unser Leben vertieft, das Begegnung ermöglicht, dieses Wissen entsteht — wie beim Menschen —, indem wir ihm zuhören.

Was wir als Kirche lehren, ist das Wissen v o n Gott, das Beziehung zu ihm begründet, das im Hören auf sein Wort entsteht und sich in der Begleitung durch den Heiligen Geist, den er seinen Jüngern vor seiner Himmelfahrt versprochen hat, vertieft. Hören wir, um es konkret zu machen, auf die zweite Lesung aus dem Hebräerbrief. Sie wirkt fremd und undurchsichtig. Versuchen wir also genau hinzuhören. Dieser Brief richtet sich an Christen, die aus der jüdischen Tradition kommen. Christi Bedeutung wird aus dieser Tradition gedeutet. Das Judentum kannte damals Priester — an ihrer Spitze der Hohepriester —, die im Tempel, dem Ort der Anwesenheit Gottes auf Erden, Tieropfer darbrachten, um Vergebung für die Sünden des Volkes zu erlangen. Der Hebräerbrief sagt nun, dass Christus dies überflüssig gemacht hat, weil er als wahrer Hoherpriester sich selbst geopfert hat und vor Gott selbst getreten ist, um Vergebung für uns zu erlangen. Beziehung zwischen Gott und Mensch wird da begründet, wo der Mensch nichts verbirgt, sondern in seiner Schuld, in seiner Zweideutigkeit, seiner Inkonsequenz offenbar wird, während Gott ebenso offenbar wird: in der Wahrheit seiner unbeirrbaren Liebe zum Menschen, so dass er in Jesus den Menschen bis in den Tod begleitet. Diese Begegnung vollzieht sich immer wieder aufs Neue in der Eucharistie, in der Leib und Blut Christi gegenwärtig werden. Dieses Wissen ist sicher nicht so spannend wie das Warten auf das nächste Wunder, es ist nicht Wissen ü b e r Gott, aber Wissen v o n Gott, das Beziehung begründet.

Auch bei Menschen suchen wir oft eher — wie ich das genannt habe — das Wissen ü b e r sie, statt v o n ihnen, wollen lieber spannende Einzelheiten über die Scheidung hören, anstatt einem Menschen wirklich zuzuhören. Doch nur letzteres macht das Leben tiefer und reicher. So ist es auch bei Gott. Es geht nicht um ein Wissen ü b e r ihn, z.B. wann das nächste Wunder kommt, sondern um Wissen v o n ihm — das begründet Beziehung. Was wir als Kirche lehren, ist das Wissen v o n Gott, das Beziehung zu ihm begründet, das im Hören auf sein Wort entsteht und sich durch die Begleitung durch den Heiligen Geist, den er seinen Jüngern vor seiner Himmelfahrt versprochen hat, vertieft.