Gott über uns, mit uns, in uns — so wächst Hoffnung

Dreifaltigkeitssonntag (Lesejahr C; Röm 5,1-5; Joh 16,12-15)

1+1+1=1? Ein bisschen seltsam ist die Rechnung, die uns der Glaube an die Dreifaltigkeit präsentieren möchte. Vater, Sohn und Geist — und doch ein Gott? In einer Zeit, in der die Naturwissenschaft das Denken umfassend prägt, scheint kein Raum für einen solchen Glauben zu sein — obwohl doch irgendwie klar ist, dass Gott — wenn es ihn gibt — unser Denk- und Vorstellungsvermögen sprengen muss, sonst wäre er nicht Gott. Wie kann man sich als Mensch unserer Zeit dem Glauben an die Dreifaltigkeit vernünftig nähern?

Ein beständiger Vorwurf gegen diesen Glauben lautet, dass er sozusagen am Schreibtisch erdacht wurde. Die biblischen Texte, die wir gehört haben, zeigen ein anderes Bild. Die ersten Christen haben Gott so erfahren. Er ist der Vater, der Schöpfer — und doch begegnet er uns in Jesus Christus, ohne dass dieser einfach der Vater ist. Nach der Auferstehung ist es der Geist Gottes, der in seiner Kraft die Gemeinde leitet und begleitet — in der ganzen Wahrheit leitet, sagt Jesus im Evangelium. Gott ist in sich Gemeinschaft und Liebe, wie könnte er die Liebe sein, ohne Gemeinschaft zu sein? Wie könnte Gott den freien Menschen erschaffen, wenn er nicht in sich schon Freiheit wäre — das Einander-Raum-Gewähren von Vater, Sohn und Geist?

In dem Abschnitt des Römerbriefs, den wir heute gehört haben, nennt Paulus — so könnte man vielleicht ein bisschen vereinfachend sagen — die Hoffnung als Wirkung des Glaubens an den dreifaltigen Gott. Dabei fällt etwas Eigenartiges auf. Einerseits scheint die Hoffnung ein Geschenk zu sein, von der Gnade ist die Rede — also von dem, was Gott uns unverdient schenkt —, und von der Liebe, die durch den Heiligen Geist ausgegossen ist und die die Hoffnung stärkt. Anderseits erläutert Paulus, wie geduldig ertragene Beschwernisse des Lebens Hoffnung bewirken. Ist Hoffnung nun Geschenk Gottes oder mühsam erworben? Es ist beides — so ist alles im Leben zugleich Gottes Geschenk, aber nicht so, dass wir unmündige Kinder sind, sondern so, dass es wirklich unseres wird, dass wir es entfalten, ja einfärben — sozusagen mit unserer persönlichen Note versehen. Das gilt für die Hoffnung und letztlich für alles andere, was wir haben und was uns ausmacht. Entspricht das nicht auch unserer Erfahrung? Bei Talenten leuchtet es gleich ein. Ich muss die Begabung schon in mir haben, damit ich sie entfalten kann, muss beispielsweise üben, um meine musikalische Begabung zu entfalten. Es gilt aber auch für die Hoffnung. Muss ich nicht schon einen Funken Hoffnung in mir tragen, damit ein gutes Wort eines anderen diese in mir zum Leuchten bringt? Muss ich nicht schon einen Keim Hoffnung in mir tragen, dass die Umstände diesen gewissermaßen wecken und entfalten? Geschenk und doch zugleich meines, erarbeitet und manchmal erlitten — was der Glaube uns sagt, ist doch durch unsere Lebenserfahrung gedeckt.

Schauen wir genauer auf den Bezug zwischen der Hoffnung und dem d r e i f a l t i g e n Gott. Manchmal wird die Dreifaltigkeit so beschrieben: Gott über uns — der Vater, Gott mit uns — der Sohn, Gott in uns — der Geist. Gott über uns, mit uns, in uns — ich glaube, man kann hier auch erkennen, wie Hoffnung wirkt. Gott über uns — braucht es nicht einen Bezugspunkt über uns, damit es Hoffnung gibt? Klar, im Alltag erinnert Hoffnung eher an eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, es wird wahrscheinlich — wie immer — klappen, aber wenn etwas schiefgeht, der Alltag erschüttert wird, dann sucht man nach etwas Größerem, das bleibt in der Vergänglichkeit des Lebens. Wer soll das sein — außer Gott, dem Ewigen? Hoffnung braucht den Größeren über uns. Aber Hoffnung ist mehr. Gott mit uns — Hoffnung braucht auch den, der mitgeht. Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt der Volksmund. Wir glauben an einen Gott, der in radikaler Weise mit uns geht, der in Jesus selbst erfahren hat, was es heißt zu leben und zu sterben. Gott in uns — Hoffnung kann nicht einfach nur von außen kommen, sie braucht irgendwie den Funken, der schon in uns ist, ich kann Hoffnung nicht in einen anderen Menschen hineinreden. Wenn wir das Wesen der Hoffnung betrachten, kann durchaus einleuchten, dass sie Wirkung des dreifaltigen Gottes ist.

Und doch wissen wir alle — diese Verallgemeinerung darf ich wohl wagen —, dass Hoffnung kein Selbstläufer ist. Paulus betont ja, wie sie durch Bedrängnisse hindurch wächst. Der Glaube an den dreifaltigen Gott kann da möglicherweise einen ganz praktischen Anstoß geben. Das Problem an der Hoffnung scheint gelegentlich zu sein, dass man aufs Ganze gehen will. Es soll alles so sein, wie man es sich erhofft. Erblickt man einen Funken Hoffnung, verdüstert sich das Bild, weil man an anderes denkt, wie wird das wohl werden? Die verschiedenen Seiten der Hoffnung ermutigen uns, die Seite festzuhalten, die sich mir gerade zeigt — und nicht immer aufs Ganze zu gehen. Habe ich jemanden, der zu mir hält? Das ist Hoffnung, auch wenn ich das Gefühl habe, in mir ist kein Funke Hoffnung. Kann ich mich in Gott festmachen, auch wenn sonst keiner da ist? Auch ein guter Ansatz. Manchmal zeigt sich nur eine Seite der Hoffnung. Es ist gut, sie zu ergreifen, und nicht eine vollkommene Hoffnung zu erträumen. Die Hoffnung wächst aus der Geduld, sagt Paulus. Auch im Glauben ist mir oft der Sohn oder der Vater oder Geist näher — auch gut, das ist mein Zugang zum Glauben.

Der Glaube an den dreifaltigen Gott macht es uns nicht einfach. Aber wie sollte Gott ein Gott der Liebe und der Freiheit sein, wenn er nicht schon in sich Gemeinschaft wäre? Ein Blick auf das Wesen der Hoffnung zeigt uns Näheres. Gott über uns — wir brauchen den Ewigen in der Vergänglichkeit des Lebens. Gott mit uns — wir brauchen den Wegbegleiter, der uns stützt. Gott in uns— wir brauchen den Funken der Hoffnung in uns, sonst wächst sie nicht. So ist der Gott, an die wir glauben: über uns, mit uns, in uns.