Was uns sättigt und erfüllt, kann auch andere erfüllen

18. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A; Mt 14,13-21)

Man sollte nicht vorschnell biblische Texte und unsere heutige Situation unmittelbar nebeneinander stellen, aber manchmal drängt sich die Parallele geradezu auf — so auch im heutigen Evangelium. Jesus ist mit vielen Menschen unterwegs, und als es Abend wird, sagen die Jünger: Schick die Leute weg, damit sie sich zu essen kaufen. Jesus aber entgegnet: Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt ihr ihnen zu essen! Wir haben aber fast nichts, antworten die Jünger. Es reicht nicht für alle. Ist das nicht vergleichbar mit unserer Situation? Wir haben offenbar nichts, was Menschen heutzutage nährt, erfüllt. Das Bisschen, was wir haben, reicht offenbar für uns, die wir in irgendeiner Weise der Kirche verbunden sind, aber die Mehrheit wird bei uns nicht satt, findet nichts, was sie erfüllt. Und doch sagt der Herr auch zu uns: Gebt ihr ihnen zu essen! Machen wir es also wie die Jünger, schauen wir einmal nach: Was haben wir zu bieten, was für Menschen auch heute wichtig sein könnte, was Menschen heute erfüllen könnte?

Fünf Brote und zwei Fische haben die Jünger dabei, wahrscheinlich ein Proviant, der für die Jünger-Gruppe gedacht war, nicht für die große Menge. Doch Jesus nimmt eben diese und teilt sie aus, und sieh einer an: es reicht für alle. Ist es nicht heute allzu oft so, dass wir gewissermaßen unseren geistigen Proviant bei uns tragen, aber insgeheim längst den Gedanken aufgegeben haben, dass das für andere Menschen auch etwas sein könnte? Mir bedeutet Kirche noch was, aber klar, dem ganzen Rest ist das gleichgültig. Jesus sagt: Gebt ihr ihnen zu essen! Das bedeutet eben auch: Denkt daran, dass das, was dich nährt, auch die anderen nähren kann. Es gibt zweifellos keine Technik und keinen Trick, dass die Leute in Massen wieder die Kirchen stürmen, aber — wie man so sagt — Veränderung beginnt im Kopf. Sind wir überhaupt noch an den Gedanken gewöhnt, dass was, was uns erfüllt, was uns etwas bedeutet und weswegen wir heute hier herkommen, dass dies auch etwas sein könnte, was andere Menschen erfüllt? Ich erlebe allzu oft die Extreme: Mancher versucht seinen Glauben regelrecht zu propagieren, ihn in sektenhaft-aufdringlicher Weise Menschen anzupreisen. Das führt natürlich nur dazu, dass die anderen eine Abwehrhaltung einnehmen. Oder eben sehr viel öfter das andere Extrem: Man versteckt seinen Glauben, nicht weil er einem peinlich ist, sondern weil man wie selbstverständlich davon ausgeht, dass die anderen ohnehin nichts damit anfangen können. So wie die Jünger sagen: Das ist unser Proviant, für die große Menschenmenge ist das nichts, die sollen sich anderswo was kaufen. Doch Jesus nimmt das, was die Jünger haben, und teilt es an alle aus — und das Wunder geschieht: Es reicht für alle, ja, es ist so viel übrig, dass es noch viele andere nähren könnte. Das, was uns erfüllt, kann auch andere erfüllen! Das ist Jesu Verheißung, das ist das Wunder! In unserer Kirche wird sehr viel über Strukturen und ähnliches diskutiert, das hat alles seine Berechtigung und seine Notwendigkeit, aber es bleibt sinnlos, wenn wir nicht auch die grundsätzlichen Fragen stellen: Was erfüllt mich, was nährt mich, warum brauche ich Kirche und Glauben? Ist es nur Gewohnheit, oder kann ich auch sagen, dass mir der Glaube etwas bedeutet oder gar was er bedeutet? Wie sollen andere zum Glauben kommen, wenn wir das nicht können? Wir müssen uns zu allererst bewusst machen, was die Jünger im Wunder der Brotvermehrung erfahren haben: Das, was uns satt macht, was uns erfüllt, das kann auch die anderen erfüllen.

Jesus nimmt also die fünf Brote und zwei Fische. Doch bevor er sie austeilt, blickt er zum Himmel und spricht ein Dankgebet. Wenn ich nach dem suche, was mich nährt, wenn ich das weitergeben will, dann muss ich dafür danken, dann muss es etwas sein, wofür ich dankbar bin. Mit Erstkommunionkindern, mit Firmlingen, aber auch mit Schülern habe ich immer wieder diese schlichte Übung gemacht: Wofür bin ich dankbar — Situationen in meinem Leben, andere Menschen, aber auch Begabungen und Talente? Es ist erschreckend, wie schwer das manchen fällt. Ich wage die Behauptung: Wofür ich dankbar bin, das kann ich austeilen, das vermehrt sich, das sättigt auch andere. Und ich betone bewusst: es geht nicht darum, einfach froh über etwas zu sein, sondern es geht um Dankbarkeit — letztlich Gott gegenüber. Ich halte es nicht für einen Zufall, dass Menschen in wichtigen Situationen oft nicht von Freude, sondern von Dankbarkeit sprechen: für das Leben, für die Menschen an ihrer Seite usw. Es ist offensichtlich, dass hier nicht einfach nur eine Dankbarkeit Menschen gegenüber gemeint ist, sondern dem Größeren gegenüber, den wir Gott nennen. Dies zeigt, wie tief die Ausrichtung auf Gott im Menschen verwurzelt ist, die Freude will sich fast von allein auf jemanden richten und zur Dankbarkeit werden. Freude allein — so bin ich überzeugt — reicht nicht tief genug. Sie kann leicht zu einem Wettbewerb ausarten — gerade in unserer Gesellschaft. Warum hat der mehr, warum ist der glücklicher, obwohl er weniger verdient? Freude allein kann auch etwas Enges, Konkurrenzhaftes bekommen. Es ist die Dankbarkeit Gott gegenüber, die weitet und geben lässt, denn da ist einer, der mir sagt: Es ist gut, dass du dies hast, kannst oder bist. Das befreit von allem Konkurrenzdruck. Jesus bricht das Brot und dankt Gott. Wofür ich Gott danke, das kann ich austeilen, das geht nicht aus.

Gebt ihr ihnen zu essen!, fordert Jesus von den Jüngern. Und plötzlich erleben sie, dass das Bisschen das sie haben, auch andere sättigen kann. Auch wir sind daran gewöhnt, dass Kirche und Glaube halt noch was für uns, aber nicht für die anderen ist. Die Botschaft des Evangeliums ist eine andere: Was uns sättigt und erfüllt, kann auch andere erfüllen. Jesus dankt Gott, bevor er an die anderen austeilt, was die Jünger haben. Es ist die Dankbarkeit Gott gegenüber, die weitet und geben lässt, denn da ist einer, der mir sagt: Es ist gut, dass du dies hast, kannst oder bist. Wofür ich Gott danke, das kann ich austeilen, das geht nicht aus.