Hoffnungen ohne Gott sind unmenschlich!

2. Sonntag der Weihnachtszeit ( Eph 1, 3–6.15–18; Joh 1, 1–18)

Für viele ist Weihnachten schon wieder eine Angelegenheit des vergangenen Jahres, mancher hat vielleicht schon den Christbaum abgeräumt und auf Fasnet umdekoriert. Gleichzeitig zeigen die Nachrichten des neuen Jahres, dass die Welt nicht ruhiger und wohl auch nicht sicherer geworden ist, mancher mag auch im Blick auf sein persönliches Umfeld Sorgen haben. In dieser Situation treffen uns die Worte des Epheserbriefs. Gott hat uns in Jesus Christus erwählt seine Kinder zu werden. Der Text mündet in das Gebet, dass der Herr die Augen unseres Herzens erleuchten möge, damit wir verstehen, zu welcher Hoffnung wir berufen sind. Ja, möge der Herr uns erleuchten: Was ist die Hoffnung, die uns verheißen ist?

Wenn man sich den Fortschritt der letzten 100 Jahre ansieht, staunt man: Was haben Medizin und Technik nicht alles möglich gemacht! Doch die Begeisterung, die vor ein paar Jahrzehnten noch ganz selbstverständlich war, ist es heute nicht mehr. Die Gräuel zweier Weltkriege und wachsende Umweltverschmutzung haben mindestens einen Schatten auf solche Hoffnungen gelegt. Deshalb verzichtet mancher auf die große Perspektive und sucht nur sein persönliches Wohlergehen. Die Sorge um die Gesundheit, Meditation und Wellness ersetzen Religion oder gesellschaftliche Utopien, also Entwürfe, wie das menschliche Zusammenleben in der Zukunft gelingen kann. Der Theologe und Arzt Manfred Lütz kommentiert solche Bemühungen trocken: „Auch wer gesund stirbt, ist definitiv tot.“ So wird auch der Schwachpunkt aller Hoffnungen und Utopien, die sich nur auf diese Welt beziehen, die den Menschen Gott und den Blick zum Himmel austreiben wollen, offenbar. Der Tod des Menschen kann durch keine Hoffnung dieser Welt geheilt oder vertrieben werden. Er kann beschönigt, verzögert oder totgeschwiegen werden, aber er kommt – noch sicherer als das Amen in der Kirche. Heute spielt allerdings eher die Frage, wie sich etwas anfühlt eine Rolle als der Inhalt. So wird davon geredet, dass der Verstorbene ein Stern am Himmel sei, aber es wird keiner ernsthaft glauben, dass er in einen Planeten unseres Sonnensystems verwandelt wird. So spricht mancher auch vom Aufgehen in der Natur, von der Rückkehr des sterbenden Menschen in das große Ganze, doch letztlich ist das – bei allem Respekt – nur eine Beschönigung, die dem Tod seine letzte Härte nicht nehmen kann. Er ist – auf diese Welt bezogen – das Ende unserer personalen Existenz; das Ende der Fähigkeit zu lieben und zu wollen. Dass die Bestandteile meines Körpers dann Nährstofflieferant für einen Baum werden, tröstet mich nicht. Darum verliert jede rein innerweltliche Hoffnung ihren Sinn und ihre Bedeutung, weil sie das Ende meiner personalen Existenz übersehen muss und so in ihrer Zerbrechlichkeit gerade dann, wenn es darauf ankommt, wertlos wird. Um wie viel mehr gilt das für gesellschaftliche Zukunftvisionen und Hoffnungen, wie sie gerade heute dringend gesucht werden – z.B. für ein geeintes Europa. Grundsätzlich is es gut, sich für eine besser Welt einzusetzen, aber wenn dies die einzige Grundlage von Hoffnung ist, wird es schräg. Oder um es deutlicher zu sagen: jede Hoffnung auf eine bessere Welt, die rein innerweltlich bleibt, die auf den Blick zum Himmel und damit auf den Glauben an Gott verzichtet, ist zynisch und zutiefst unmenschlich! Solche Utopien versprechen eine bessere Welt in ein paar Jahrzehnten oder Generationen, wenn der Mensch heute dies oder jenes tut. Zunächst mal erweist sich diese Hoffnung für mich als recht zahnlos, da sie mir persönlich mehr oder weniger nichts verspricht, da ich ja kaum davon profitieren werde, weil ich nicht mehr bin, wenn das Paradies auf Erden Wirklichkeit wird. Aufs Ganze gesehen sind solche Bestrebungen wahrhaft zynisch und unmenschlich, denn sie versuchen letztlich ein Bilanz-Denken als Hoffnung zu verkaufen. Es sollen mehr Menschen am Ende profitieren, als auf dem Weg dorthin auf der Strecke bleiben. All diese Opfer, die es geben muss, um die bessere Welt zu erreichen, haben eben Pech gehabt: das sind die, die nur das Pech haben, vor Beginn der neuen, besseren Zeit gestorben zu sein, und auch die, die man aus dem Weg räumen musste, damit es vorangeht. Ein solches Bilanz-Denken ist unmenschlich, es untergräbt die Menschlichkeit, für die es eintreten will. Menschlichkeit beruht gerade darauf, dass ich die unverlierbare Würde jedes Einzelnen achte. Ein solches Denken tut dies nicht, sondern macht den Einzelnen zur verrechenbaren Einheit, nach dem Motto: Hauptsache, es profitieren am Ende mehr, als es Opfer gab. Indem ich die Würde des Menschen untergrabe, schaffe ich keine bessere Welt.

Hoffnung ist also mehr als die schlichte Verwirklichung meiner Möglichkeiten, denn dazu gehört ein Element der Gnade, also dessen, was ich mir nur schenken lassen kann, worauf ich kein Anrecht habe. Hoffnung bedeutet eben auch das Vertrauen, dass mir einer entgegenkommt, und zwar nicht nur aus selbstsüchtigen Motiven, nur dann kann ich mich entfalten und der werden, der ich im Keim schon bin. Der Alltag lehrt das doch auch: Talente entfalten kann ich da, wo mich einer ermutigt, mir Zeit und Aufmerksamkeit schenkt. Ohne solche Gnade, ohne solche entgegenkommende Zuneigung kann der Mensch sich nicht verwirklichen. In der Hoffnung greift der Mensch ins Grenzenlose, Unbedingte aus. Alles soll gut werden! Auch wenn sie nur einen Augenblick aufkeimt, so greift die Hoffnung in diesem Augenblick ins Grenzenlose. Darum kann sie nur erfüllt werden, wenn der Grenzenlose, wenn Gott uns in Freiheit und Liebe entgegenkommt und begegnet. Das ist die Botschaft des Evangeliums: Gott, der sich mitteilt, ist ein Mensch aus Fleisch und Blut geworden. „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade.“

Hoffnungen für den Einzelnen, die rein innerweltlich sind, scheitern an der Tatsache des Todes. Beziehen sie sich auf die Welt im Ganzen sind sie letztlich unmenschlich, denn sie kalkulieren immer Opfer am Wegesrand ein. Es braucht Gott, für den der Tod keine Grenze ist, der uns in seiner Gnade entgegenkommt und zu uns selbst führt.