Friedensnobelpreis oder Gotteslohn?

25. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A; Mt 20,1-16a)

Vielleicht haben Sie es mitbekommen: US-Präsident Trump wurde für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Wie es unserer gespaltenen Welt entspricht, ruft so eine Nachricht — sehr vorsichtig gesagt — höchst unterschiedliche Reaktionen hervor. Doch die Vergabe gerade des Friedensnobelpreises hat immer wieder für leidenschaftliche Diskussionen gesorgt: wer hat diesen so angesehenen Preis, diese hohe Auszeichnung als Belohnung seines Engagements verdient? In diesem Zusammenhang ist eine Belohnung als Krönung der eigenen Verdienste etwas, das Menschen anstreben und bewundern — in dem Zusammenhang, der uns hier beschäftigt, eher nicht. Dass Gott dem Menschen nach dem Ende seines Lebens seinen Lohn zuteilt, dass wir gewissermaßen die Arbeiter im Weinberg des Herrn sind — wie sich Papst Benedikt XVI. in den ersten Worten nach seiner Wahl genannt hat —, stößt heutzutage auf wenig Begeisterung. All das klingt eben nach dem, was man der Kirche bzw. dem christlichen Glauben heutzutage vorwirft: Unterwürfigkeit, Unfreiheit, Gott als König, der Mensch als möglichst gehorsamer Diener. Können wir also noch glauben — und mindestens ebenso wichtig: leben und verkünden, dass Gott uns nach unserem irdischen Dasein unseren Lohn zuteilt?

Beim Nachdenken über diese Frage fiel mir auf, dass ein Preis wie der schon erwähnte Friedensnobelpreis oder der Oscar in der Filmbranche als etwas höchst Bewundernswertes gilt, die Vorstellung, dass Gott uns belohnt, aber nicht. Warum eigentlich? Es könnte das Abhängigkeitsverhältnis sein, das in dem Gleichnis Jesu anklingt. Das mag hineinspielen, aber kann kaum der einzige Grund sein, denn eine berufliche Karriere wird ja auch bewundert und hier ist der Betreffende definitiv in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Arbeitgeber. Ich glaube, es ist zunächst einmal die Namenlosigkeit derer, die den Preis vergeben. Es ist sozusagen, als fiele dieser Preis vom Himmel, als gewissermaßen objektive Entscheidung. Da wird ein Umschlag aufgemacht und da steht: der Oscar oder der Nobelpreis geht an … und dann geht es um den Preisträger. Sie kennen wahrscheinlich diese beiden Preise: den Oscar und den Friedensnobelpreis. Aber wissen Sie, wer diese Preise vergibt? Es ist ein Komitee, dessen Mitglieder vom norwegischen Parlament bestimmt werden, das den Friedensnobelpreis vergibt, wie es der Stifter Alfred Nobel in seinem Testament bestimmt hat, und im Falle des Oscars die Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Die Namen der Entscheider verschwinden hinter diesen Institutionen, die längst nicht so bekannt sind wie der Preis, den sie vergeben. Wer diesen Preis vergibt, taucht meist erst auf, wenn die Entscheidung kritisiert wird: Der hat den Nobelpreis nicht verdient, dieser Film nicht den Oscar. Dann heißt es, die haben falsch entscheiden, waren voreingenommen usw. Ich bin tatsächlich überzeugt, dass es gerade auch das ist, dass diese Preise im Gegensatz zum Gotteslohn attraktiv macht. Irgendwie erscheint der Preis objektiv, vom Himmel gefallen. So kann man sich als Preisträger freuen. Und bekommt man ihm nicht, kann man sich mit dem Gegenteil trösten. Die, die den Preis vergeben, sind nicht objektiv, haben Vorurteile, nur deshalb — nicht wegen meiner fehlenden Leistung — habe ich den Preis nicht bekommen.

All das klappt in Bezug auf Gott nicht. Er ist — dem Zeugnis der Heiligen Schrift entsprechend — eben keine namenlose Institution, sondern der, der uns in Jesus begegnet, und es gibt keine Möglichkeit, sich ernsthaft über seine Entscheidung zu beschweren. Das sagt Jesus selbst in dem Gleichnis. Als einer der Arbeiter sich beklagt, sagt der Besitzer der Weinbergs: Kann ich mit meinem Geld nicht machen, was ich will? Also ist letztlich klar, dass dieses Lohn-Verhältnis nicht sonderlich attraktiv für den Menschen unserer Zeit ist?!

Schauen wir genauer hin: Eigentlich ist das mit den erwähnten Preisen ja auch ein bisschen Augenwischerei. Ist man mit der Entscheidung zufrieden, tut man so, als wäre das die ultimative Belohnung, die objektive Entscheidung, dass man am meisten für die Frieden getan hat oder der beste Schauspieler ist. Bekommt man den Preis nicht, sagt man das Gegenteil. Die Entscheider sind eben nicht objektiv. Gäbe es da nicht eine attraktivere Alternative? Dass ich genau weiß, nach welchen Maßstäben entschieden wird und dass dann die Entscheidung durchsichtig und nachvollziehbar gemacht wird — statt eines geheimnisvollen Umschlags, in dem steht: der Oscar geht an … ? Und genau das ist doch die Verheißung unseres Glaubens! Die Maßstäbe finden sich in der Bibel oder meinetwegen verkürzter: im Neuen Testament — in der Botschaft Jesu, in der Verkündigung der Apostel. Und ich bin überzeugt, dass das Gleichnis, das wir gehört haben, nicht einfach bedeutet, dass jeder dasselbe bekommt, sondern dass Gott barmherzig ist. Er gibt auch da, wo wir Menschen mäkeln würden: das ist aber nicht genug … Er gibt jedem den Denar, den er braucht, um seine Familie ernähren zu können, auch wenn er nicht die Gelegenheit hatte, den ganzen Tag zu arbeiten. Vielleicht kennen Sie die Geschichte vom Rabbi Sussja. Er sagt zu seinen Schülern: In der kommenden Welt wird man nicht fragen: Sussja, warum bist du nicht Mose gewesen? Man wird mich auch nicht fragen: Warum bist du nicht David gewesen? In der kommenden Welt wird man fragen: Sussja, warum bist du nicht Sussja gewesen? Gott gibt eben nicht einen Einheitspreis, sondern jedem seinen Preis. Gott ist vollkommene Klarheit, was er tut, wird einsichtig und durchsichtig sein — eben das meint das nicht so beliebte Wort vom Gericht. Und vor allem: er wird barmherzig sein. Sussja hat wohl den Sussja-Preis bekommen. Gott vergibt keinen Einheitspreis. Auf jeden von uns wartet sein Preis.

Vielleicht ist so doch attraktiv, was auf den ersten Blick fremd erscheint: dass Gott uns belohnt. Der Mensch sehnt sich nach Anerkennung und Auszeichnung, es gibt deshalb angesehene Preise — eben wie den Friedensnobelpreis und den Oscar. Doch diese sind zweischneidig. Einerseits wirken sie objektiv, quasi vom Himmel gefallen, die Institutionen, die sie vergeben, sind weniger bekannt. Ist man nicht zufrieden, kann man dann doch die Institutionen als voreingenommen kritisieren. Das ist dann doch ein bisschen Augenwischerei. Die Verheißung des Glauben sagt dagegen: Gottes Entscheidung wird klar, durchsichtig, nachvollziehbar. Und barmherzig. Es gibt keinen Einheitspreis. Auf jeden von uns wartet sein Preis.