Für eine klare und profilierte Verkündigung des Evangeliums!

Sonntag der Weltmission (Jes 2,1-5; Mk 16,14-20)

Heutzutage wird oft auf das soziale Engagement und die Vielfältigkeit von Kirche hingewiesen, um sie für die Menschen unserer Zeit noch attraktiv zu machen. So versucht man möglichst viele an Bord zu halten und davon zu überzeugen, dass Kirche doch nicht so schlecht ist, wie viele meinen, dass sie auch für sie etwas zu bieten hat. Unser Aufragt lautet doch auch: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium a l l e n Geschöpfen!“ Doch die Fortsetzung des Auftrags verstört: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet, wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.“ Hier ist Klarheit gefordert und schließlich Entscheidung. Dass jedoch Kirche, die aus Menschen voller Fehler und Schwächen besteht, oder sagen wir zugespitzter: aus Sündern besteht, in der Nachfolge Jesu zur Entscheidung auffordert, erscheint nicht mehr nachvollziehbar. Dürfen, ja können wir die Wahrheit unseres Glaubens so zugespitzt, so profiliert formulieren - auch wenn wir darum wissen, dass wir fehlerhafte Menschen sind und Wahrheit bestenfalls bruchstückhaft erkennen? Dürfen wir in Kauf nehmen, dass Menschen sich von einem so klar formulierten Glauben abwenden - oder müssen wir doch eher versuchen alle um beinah jeden Preis zu halten?

Die Lesung aus dem Propheten-Buch Jesaja entwirft da eher ein versöhnliches Bild: eine Völker-Wallfahrt, ein großes Bild des Friedens und der weltweiten Gemeinschaft. Doch was führt die Völker zusammen, wohin pilgern sie? Zum Gott Israels. Was sie zusammenführt, ist nicht irgendetwas, sondern der Glaube an Gott, auf seinen Wegen wollen sie nun gehen, heißt es ausdrücklich. Ich kann gut verstehen, wenn in der Kirche heutzutage Panik ausbricht, weil immer mehr sich abwenden, kein Interesse haben und man alles versucht, um Menschen zu halten. Ja, es ist unser Auftrag, möglichst jeden zu erreichen, niemanden einfach abzuschreiben, wie es in unserer Gesellschaft allzu häufig geschieht. Aber womit wollen wir sie erreichen? Hier ist die biblische Botschaft doch klar: mit dem Evangelium. Das beinhaltet den Auftrag, dieses so verständlich und nachvollziehbar wie möglich zu formulieren, es auf die Fragen und Nöte der Zeit hin auszulegen, so dass es von möglichst jedem, der einigermaßen Bereitschaft dazu zeigt, verstanden werden kann. In neuen Sprachen werden die Jünger reden, sagt Jesus. Ich glaube nicht, dass es hilfreich oder Teil unseres Auftrags ist, unser Profil als Kirche solange zu verwässern, bis - hoffentlich - jeder sich darin wiederfinden kann, weil alles irgendwie christlich ist - solange man keinen umbringt. Ich glaube, dass dies nicht dem Evangelium entspricht, und ich glaube auch nicht, dass dies auf Dauer Menschen bei der Kirche hält. Attraktiv - also im Wortsinn: anziehend - ist doch auf Dauer nur, was auch ein Profil hat, irgendwie erkennbar ist. Was alles und nichts sein kann, wen interessiert das schon?

Was viele in unserer Zeit an solcher Klarheit stört, ist wohl, dass sie meinen, dass so etwas gar nicht möglich ist. Jeder hat seine Wahrheit, heißt es dann, alles passt irgendwie, keiner weiß es genau, wenn es um die letzten Fragen des Mensch-Seins geht. Es gibt keine Wahrheit für alle - dieser Satz ist allerdings ein Widerspruch in sich, denn er behauptet ja, dass zumindest diese Aussage für alle gilt. Nur weil es irgendwie gemeinsame Wahrheit gibt, ist auch Gemeinschaft möglich, sonst würde jeder in seine Sonderwelt abdriften, ohne Kontakt zum anderen haben zu können. Als Glaubende sind wir davon überzeugt, dass Jesus Christus diese letzte Wahrheit, die Wahrheit Gottes ist, die aber niemals auszuschöpfen ist. „Wenn du es begreifst, ist es nicht Gott“, sagt Augustinus. Wenn wir also eingestehen, dass wir Wahrheit auch nur bruchstückhaft erkennen können, dürfen wir dann die Wahrheit unseres Glaubens so präzise formulieren und zum Maßstab erheben? Müssten wir dann nicht hinter alles ein Fragezeichen setzen, weil wir durch tiefere Erkenntnis korrigiert werden könnten? Ich meine, dass eine solche Sicht der Dinge das Wesen der Wahrheit verkennt. Wenn ich ein Bruchstück der Wahrheit erkannt habe, so bleibt dies wahr, auch wenn ich neue, tiefere Zusammenhänge entdecke - sonst ist es nicht wahr. Ein Beispiel: Wenn ich einen Menschen kennen lerne, etwas von seinem Humor verstehe, wird sich das noch im Lauf der Zeit, wenn ich ihn besser kenne, vertiefen, ich werde Neues finde, worüber der andere lacht - doch die erste Erkenntnis wird davon nicht unwahr, sie wird vertieft, aber sie bleibt. Ein Bruchstück der Wahrheit wird nicht unwahr, weil ich es in neuen Zusammenhängen erkenne, es leuchtet vielleicht heller, aber es bleibt wahr.

Wir müssen allerdings eingestehen, dass ein klares Profil zu haben auch bedeutet, dass mancher sich abwendet und deutlich macht, dass er dies nicht glaubt. Jesus rechnet im Evangelium ganz offensichtlich damit, ja erlebt dies immer wieder selbst. Doch auch diesen Menschen tun wir - auch wenn es vielleicht seltsam klingt - einen Dienst. Es gehört zur Würde des Menschen, sich zu entscheiden, Stellung zu nehmen und nicht auszuweichen. Ein Ausweichen ins Unklare, Offene ist des Menschen unwürdig, er vernachlässigt seine Freiheit und sein Gewissen. Eine klare Verkündigung des Evangeliums führt auf jeden Fall zur - wenn man so sagen will - Aktivierung der Würde jedes Einzelnen, weil er aufgefordert ist, gemäß seiner Freiheit zu entscheiden und so seine Würde zu leben, auch wenn er sich anders entscheidet.

Ich glaube, dass Jesus uns zu einer klaren, leidenschaftlichen und verständlichen Verkündigung des Evangeliums auffordert, einer Verkündigung, die Profil hat, weil es um den Menschen im tiefsten Sinne geht, um sein Heil. Nicht ein Verwässern der Botschaft - sei es auch in guter Absicht -, sondern eine klare Botschaft zieht auf Dauer Menschen an. Gewiss erkennen wir die Wahrheit nur bruchstückhaft, aber ein Bruchstück der Wahrheit wird nicht unwahr, weil ich es in neuen Zusammenhängen erkenne, es leuchtet vielleicht heller, aber es bleibt wahr. Die Klarheit der Botschaft aktiviert sozusagen die Würde des Menschen, fordert ihn auf, Stellung zu nehmen und so seine Freiheit im besten Sinne zu leben - auch wenn er sich dagegen entscheidet. Wagen wir es endlich, auf künstliche Verrenkungen zu verzichten und stattdessen das Evangelium so glaubwürdig und nachvollziehbar wie möglich zu verkünden. Vielleicht geschehen ja auch dann Wunder, wie Jesus im Evangelium verheißt - andere Wunder, Wunder für unsere Zeit.