Wir verkünden eine Freiheit, die ein Zuhause hat. In Gott.

15. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B; Mk, 6, 7-13)

Kommt das Wort zum Element, wird daraus ein Sakrament! So reimte man in — zumindest vermeintlich — einfacheren Zeiten theologische Sinnsprüche. Ein Element wie das Wasser und dazu kommt das deutende Wort „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ — und fertig ist das Sakrament. Heutzutage ist es mit der Erklärung der Sakramente so einfach nicht mehr, denn offenbar brauchen immer weniger Menschen unsere Sakramente, höchstens noch als Rituale an Lebenswenden, z.B. zur Geburt oder zur Hochzeit. Im heutigen Evangelium begegnet uns nun — wenn man so sagen darf — die Grundstruktur dessen, was Sakrament meint. Jesus bevollmächtigt die Apostel, sendet sie aus und sie nehmen eine Zeichenhandlung vor, indem sie Kranke mit Öl salben. Hier klingt schon an, was wir Krankensalbung nennen. Sakramente sind also nicht nur in der Tradition der Kirche verwurzelt, sondern im Handeln Jesu, wie es uns das Evangelium bezeugt. Sind Sakramente nun sinnvolle Rituale, vielleicht schöne Traditionen — oder doch eher überflüssig?

Klar, die Frage liegt nahe: was ist überhaupt ein Sakrament? Die Grundfrage aller Religion ist die Frage nach dem Göttlichen. Gibt es Gott, und zeigt er sich uns? Für uns als Christen lautet die Antwort: Es gibt ihn und er zeigt sich uns in Jesus. So wie Jesus war, so wie er geredet, gehandelt, gelebt hat, so ist Gott. Sakramente sind Zeichenhandlungen, die Jesu Handeln gegenwärtig und lebendig werden lassen und uns so etwas von Gott zeigen, indem sie seine rettende Nähe zusprechen. Jesus hat Kranke geheilt, um die Menschen die heilende Nähe Gottes erfahren zu lassen, die Apostel sind diesem Beispiel gefolgt, auch indem sie bereits Öl als Zeichen der Heilung und Linderung verwendeten, wie es uns das heutige Evangelium sagt.

Das klingt alles schön — so hoffe ich wenigstens —, Tatsache ist allerdings, dass die wenigsten Menschen damit noch was anfangen können. Offenbar wird das als einengend empfunden. Warum soll ich sonntags da irgendwohin gehen? Gott ist doch größer, wenn ich was von ihm wollen sollte, ist er doch überall. Diese Freiheit nehme ich mir — so denken wohl viele. Warum kommen aber doch noch Menschen zu uns und wollen kirchlich heiraten, ihr Kind taufen lassen? Im Ozean der Möglichkeiten, in der schier unbegrenzten Freiheit, die Menschen heute genießen — jedenfalls im Vergleich zu vergangenen Zeiten — gibt es dann doch die Sehnsucht nach Verlässlichkeit, nach einem Halt, vielleicht auch ganz bewusst nach einem Ritual der Vergangenheit, dass Stabilität zeigt inmitten der vielen Möglichkeiten und Herausforderungen des Lebens. Es wird nicht alles anders, manches bleibt und gibt so Sicherheit.

Verlässlichkeit und Halt im Ozean der Möglichkeiten — das klingt auch schön, doch wenn man das Evangelium des heutigen Sonntags betrachtet, fällt etwas anderes auf. Jesus gibt den bevollmächtigen Aposteln alles andere als Sicherheit. Im Gegenteil, er schickt sie auf eine ungewisse Reise. Sie sollen bewusst auf Vorbereitungen verzichten und möglichst in dem Haus bleiben, in dem man sie aufnimmt. Sie sollen nicht den Eindruck erwecken, als seien sie auf einer kulinarischen Testreise, bei der sie die Gastfreundschaft verschiedener Familien ausprobieren. Sie sollen in Freiheit unterwegs sein, ungebunden. Ja, sie haben sogar die innere Freiheit, sich abzuwenden, wenn man sie nicht hören will. Am Rande bemerkt, über diese innere Freiheit sollte die Kirche unserer Zeit wohl auch einmal nachdenken. Die Apostel sollen in Freiheit unterwegs sein und sie sollen Freiheit bringen. Es geht um Menschen, die in den Zwängen des Lebens zu ersticken drohen, die von Krankheit niedergedrückt sind. Ihnen sprechen die Apostel in der Vollmacht Jesu Gottes heilende und das heißt eben auch befreiende Nähe zu.

Hier haben wir schon ein entscheidendes Problem. Vielleicht stimmen bei uns — salopp gesagt — Angebot und Nachfrage nicht überein. Den meisten sind kirchliche Angebote ohnehin zu einengend, sie passen nicht zu ihrem Verständnis von Freiheit, die anderen suchen bewusst Halt und Verlässlichkeit im Ozean der Möglichkeiten. Und wir, was haben wir anzubieten? Befreiung für Menschen, die sich ohnehin schon frei fühlen oder eben gerade Halt und Sicherheit in dieser überbordenden Freiheit suchen. Was tun wir also?

Ich weiß, es gibt da keine schnelle Lösung, aber ich glaube, wir müssen neu verstehen, was Freiheit heißt. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“, sagt der Apostel Paulus. Freiheit kann so vieles sein, es kann die Freiheit zu wählen sein, mich für dies oder jenes zu entscheiden. Freiheit kann heißen, ich selbst zu sein — mit meinen Stärken und Schwächen. Am stärksten ist Freiheit dann, wenn ich — so glaube ich — ein Zuhause habe. Das muss nicht im wörtlichen Sinne ein Heim sein, es kann alles Mögliche sein, vielleicht auch eine Freundschaft. Ich muss nicht immer in diesem Zuhause sein, kann hinaus ziehen, kann vielleicht auch einmal in Spannung zu diesem Zuhause sein, aber ich weiß, ich kann dahin zurückkehren. Dieses Zuhause nimmt mir nichts von meiner Freiheit, es stärkt mich, es gibt mir etwas an die Hand, das mir hilft Entscheidungen zu treffen — und auch Vergebung zu finden, wenn ich Schuld auf mich geladen habe. Vieles kann ein solches Zuhause sein, aber ich bin überzeugt — und eben das ist Evangelium, Frohe Botschaft —, dass es im Letzten nur Gott sein kann, der ein solches Zuhause ist. Er ist der, der niemals wankt, der niemals aus Enttäuschung die Tür verschließt oder nur widerwillig öffnet. Man denke an den barmherzigen Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Auch die Apostel dürfen ausruhen, als sie nach ihrer kleinen Missionsreise wieder zu Jesus zurückkehren, davon hören wir nächste Woche im Evangelium. Er ist ihr Zuhause. Das sollten wir verkünden: eine Freiheit, die ein Zuhause hat. In Gott.

Sakramente sind also mehr als schöne Rituale, sie sind Zeichen der heilenden und befreienden Nähe Gottes in Jesus. Das ist offensichtlich schwierig in einer Zeit, die sich schon frei fühlt, vielleicht eher Sicherheit in kirchlichen Ritualen sucht. Ich glaube, dass es immer auch in der Freiheit die Sehnsucht nach dem Halt, wenigstens nach dem Ausruhen gibt. Freiheit ist stärker, wenn sie ein Zuhause hat, in dem ich ausruhen kann und das mir etwas mitgibt. Gott ist dieses Zuhause, er verschließt nie die Tür. Darum sollten wir eine Freiheit verkünden, die ein Zuhause hat. In Gott.