Glaubensinhalte symbolisch zu deuten ist keine Lösung

3. Sonntag der Osterzeit (Lesejahr B, Lk 24, 35-48)

„Man kann Christ sein, ohne an Gott zu glauben“, sagte ein Historiker in einem kürzlich
veröffentlichten Interview. Ich bin immer wieder erstaunt, was Menschen alles unter Christ-Sein
verstehen. Gleichzeitig würde wohl niemand behaupten, man könne Fußballer sein, wenn man
niemals einen Ball auch nur von weitem gesehen hat. Mit den Inhalten des christlichen Glaubens
hingegen kann man quasi alles machen. Man kann sie bildlich, symbolisch verstehen, man kann
sie einfach als überholt beiseite schieben, alles möglich, und man kann dann sogar noch — nach
den Worten dieses Historikers — Christ bleiben. Wie anstößig konkret wirkt dagegen das heutige
Evangelium! Jesus ist wirklich auferstanden, nicht nur symbolisch, nicht nur seine Botschaft lebt
weiter, seine Jünger haben nicht nur eine Vision, sondern er, der Auferstandene, ist wirklich da und
fühlt sich offenbar genötigt diese handgreifliche Wirklichkeit zu beweisen, indem er ein Stück von
einem Fisch isst. Anstößig — nicht nur weil der Herr offenbar kein Vegetarier ist, sondern diese
handgreifliche Wirklichkeit scheint manchem heute zu viel. Wie gehen wir nun mit der
Auferstehung Jesu und mit anderen Glaubensinhalten um? Muss das heute nicht alles anders,
irgendwie bildlich und symbolisch verstanden werden?
Die Herangehensweise an solche Themen scheint fast immer zu sein: Was kann ich daraus
machen? Wie kann ich das deuten, heute, in unserer Zeit? Das klingt gut, nachvollziehbar,
sinnvoll, und irgendwie ist es das auch, aber diese Haltung hat — wenn man so sagen will —
einen Webfehler. Im Evangelium ist es Jesus, der seinen Jüngern die Schrift deutet. „Darauf
öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften“, heißt es da wörtlich. Die Jünger sind erst
Hörende, Lernende. Christlicher Glaube bedeutet grundlegend, dass Gott sich uns zeigt, sich uns
offenbart, heißt das in der Sprache der Theologen. Es geht nicht darum, dass ich aus bestimmten
Lehren etwas mache, das Menschen heute anspricht, ihnen vielleicht sogar hilft, sondern dass ich
ein Hörender, ein Lernender bin. Dies darf nicht ausfallen, sonst kommt am Ende eine Aussage
raus wie die des eingangs zitierten Historikers. Das scheint mir heute die wahre Krise der Kirche
zu sein, dass vieles diskutiert wird, aber die entscheidenden Probleme nicht gesehen oder
zumindest nicht benannt werden. Bin ich ein Hörender und Lernender — oder bin ich von
vornherein der Aktive, der biblische Aussagen deuten, einordnen, auch heute annehmbar machen
will?
Nach meiner Wahrnehmung versucht man heutzutage Glaubensaussagen häufig irgendwie —
Betonung auf irgendwie — symbolisch zu verstehen. Die einen tun das auf einem sehr reflektierten
Niveau, andere eher gefühlsmäßig, nach dem Motto: ja, irgendwie stimmt das schon, ist das halt
ein Bild für etwas, beispielsweise dass Jesu Botschaft weiterlebt. Aus der Auferstehung und
anderen Glaubensaussagen werden Symbole gemacht, man hat das damals halt so ausgedrückt,
aber heute wissen wir, dass das alles symbolisch gemeint war. So glaubt man, irgendwie den Kern
der biblischen Botschaft und des Glaubens zu bewahren. Es lohnt sich m.E. also einmal sehr
genau hinzusehen, wie sinnvoll ein solches Unterfangen sein kann. Was ist überhaupt ein

Symbol? Ursprünglich war es ein Erkennungszeichen. Man brach etwas in zwei Teile, so
entstanden zwei einzigartige, zueinander passende Bruchkanten. So konnten Besitzer der beiden
Teile sich voreinander quasi ausweisen. Zwei Teile, zwei Dinge passen zusammen. Später hat sich
dieses Verständnis gewandelt. Ein Symbol ist ein Bild für eine Wirklichkeit, die durch das Symbol
vereinfacht ausgedrückt wird, ja vielleicht eine Wirklichkeit, die nur schwer in Worte zu fassen ist
und deshalb sogar besser durch ein Bild, ein Symbol ausgedrückt wird. Das Symbol und die darin
ausdrückte Wirklichkeit müssen natürlich irgendwie zusammenpassen, da leuchtet die
ursprüngliche Wortbedeutung auf. Ein bekanntes Symbol für die Liebe ist das Herz. Manchem
schlägt das Herz schneller, wenn er den geliebten Menschen sieht, also passt das Symbol.
Außerdem ist die Liebe eine so vielschichtige Wirklichkeit, dass sie wohl tatsächlich besser durch
ein Symbol ausgedrückt werden kann. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Ein Symbol bedeutet
also, dass ich eine Wirklichkeit kennen lerne, vielleicht sogar — wie im Fall der Liebe — tief von ihr
berührt werde und dann diese in einem Bild ausdrücke, weil es sonst zu viele Worte bräuchte oder
weil diese ohnehin nicht ausreichen würden. Das ist der sinnvolle Gebrauch eines Symbols. Wenn
es um Glaubensinhalte geht, sieht die Sache allerdings anders aus. Da funktioniert es so, dass
man der im Glauben beschriebenen Wirklichkeit irgendwie nicht mehr traut und sie deshalb quasi
in ein Symbol verwandelt, um wenigstens etwas von der zweifelhaften Wirklichkeit zu retten. Da ist
sozusagen der sinnvolle Gebrauch eines Symbols umgedreht: nicht eine Wirklichkeit, die mich
berührt und die ich in einem Bild ausdrücke, sondern die Wirklichkeit des Glauben geht mir
verloren und ich versuche einen Rest davon durch den Gebrauch eines Bildes zu retten,
beispielsweise indem sich sage: die Auferstehung bedeutet nicht, dass Jesus auferstanden ist,
sondern das ist ein Symbol dafür, dass seine Botschaft weiterlebt. Ein solcher Gebrauch eines
Symbols ist sinnlos und leer, denn das ist das Gegenteil eines sinnvollen, vernünftigen Gebrauchs
von Symbolen.
Gewiss müssen wir die Inhalte unserer Glaubens für unsere Zeit heute deuten — ich wäre der
Letzte, der das bestreitet. Aber zuerst müssen wir dafür Hörende sein — wie die Jünger im
heutigen Evangelium. Nicht ich bin es, der an den Texten herumschraubt und herumdeutelt, bis
Passendes rauskommt, sondern ich bin der Hörende. Das bedeutet eben auch, dass ich zunächst
der Betende bin, der den Herrn bittet, ihm das Rechte zu zeigen. Vielleicht mag das manchem zu
banal klingen, aber ich bin überzeugt, dass es heute an dieser Haltung weithin fehlt. Den Glauben
irgendwie symbolisch zu deuten, ist keine Lösung, weil das dem sinnvollen Gebrauch eines
Symbols widerspricht. Dieser bedeutet, dass ich von einer Wirklichkeit berührt werde und sie in
einem Bild ausdrücke, nicht dass ich einer Wirklichkeit nicht mehr recht traue und deshalb
versuche etwas davon in ein Bild zu retten. Nein, ich muss — wie die Jünger — ein Hörender und
Lernender sein, dann gilt mir der Auftrag Jesu: Ihr seid Zeugen dafür!