Dem Glauben wohnt die Kraft zur Veränderung inne

4. Fastensonntag (Lesejahr B; Eph 2, 4–10; Joh 3, 14–21)

Es kommt auf das Handeln an, nicht darauf, woran man glaubt — so lautet eine gängige
Überzeugung heutzutage. Man glaubt so einen gemeinsamen Grund für eine vielfältige
Gesellschaft gefunden zu haben. Dass Religion so weiter an den Rand gedrängt wird, nimmt man
gern in Kauf. Die biblischen Texte aus dem Neuen Testament, die wir heute gehört haben, sagen
— das wird kaum überraschen — etwas anderes. „Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben
gerettet“, heißt es im Epheserbrief. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen
einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben
hat“, heißt es im Johannesevangelium. Ein Glaube, der rettet — für nicht wenige Menschen ist das
eine beinahe schon fundamentalistische Äußerung, die den Blick auf das einzig Wichtige — das
Handeln — verstellt. Was zählt nun — das Handeln oder der Glaube? Gibt es überhaupt den
Glauben, der rettet?
Wenn man Glauben für mehr oder weniger belanglos erklärt, um allein das Handeln in den
Mittelpunkt zu rücken, übersieht man etwas Wesentliches: den Zusammenhang von Glauben und
Handeln. Das bedeutet nicht, dass Menschen sich beinahe automatisch an alle Vorgaben ihrer
Religion halten, das tun sie nicht, das wissen wir alle, nicht umsonst beginnen wir die
Eucharistiefeier mit der Bitte um Gottes Vergebung. Es geht um die Einsicht, dass mein Handeln
immer von Grundeinsichten und Wertmaßstäben geprägt ist, die ich für wichtig halte — oder um es
anders zu sagen: an die ich glaube. Gerade wo ich unbewusst handle, werde ich von den
Überlegungen — man könnte auch sagen: Glaubensinhalten — geleitet, die mir eben in Fleisch
und Blut übergegangen sind. Nicht umsonst lehrte der antike Philosoph Aristoteles, dass
Tugenden Haltungen sind, die dem Menschen wirklich in Fleisch und Blut übergehen, so dass er
— ohne nachzudenken — das Richtige tut. Wenn ich wirklich überzeugt bin, dass ein Mensch in
Not Hilfe braucht, dann werde ich automatisch herbeieilen, um jemandem, der auf der Straße
gefallen ist, aufzuhelfen. Wir sehen also, hinter unserem Handeln stecken immer Überzeugungen,
die uns leiten, gerade auch dann wenn wir automatisch handeln. Was gutes bzw. richtiges Handeln
bedeutet, kann ich ja auch nur beurteilen anhand der Werte, an die ich glaube.
Unsere Gesellschaft mag sich vielleicht theoretisch dieser Einsicht bewusst sein, tatsächlich aber
nicht, tatsächlich bleibt sie aufs Handeln fixiert, mit allen negativen Folgen. Ist es nicht so, dass
man sich heute das Ansehen verdienen muss durch gute Taten? Natürlich nicht im Bereich der
Religion, sondern beispielsweise im Klima- und Umweltschutz oder durch sozialverträgliches
Verhalten? Und wehe man tanzt da aus der Reihe! Und was erreicht man damit? Unbarmherzigkeit
und Heuchelei. Als Christen wissen wir das, zu oft in der Kirchengeschichte war man auf äußere
Regeln fixiert. Und was hat man erreicht? Unbarmherzigkeit und Heuchelei. Heutzutage geht das
dann ebenso: „Ist der Nachbar etwa in den Urlaub geflogen? Unglaublich, sonst behauptet er
doch, er sei für den Klimaschutz." Verstehen Sie mich recht, Umweltschutz ist ein wichtiges Ziel,
als Christen glauben wir, dass diese Welt Gottes Schöpfung ist, die er uns anvertraut hat, aber mit

einer neuen Fixierung auf gute Taten, nach denen Menschen bewertet werden, erreichen wir eher
nichts. Werkgerechtigkeit nannte man das in der Theologie, und eigentlich wollte man das hinter
sich lassen. Es führt nur zu Unbarmherzigkeit und Heuchelei.
Also hat vielleicht doch die Heilige Schrift recht, die uns lehrt, dass der Glaube uns rettet, der
Glaube an Gott, der seinen Sohn für uns gegeben hat? Hier gilt es gleich ein Missverständnis zu
beseitigen, es geht nicht um einen bösen Gott, der ein Opfer verlangt, das dann der arme Sohn
erbringen muss. Es ist Gott selbst, der sich aus Liebe hingibt, der so auf Augenhöhe mit uns
kommt — bis in den Tod. Vergessen wir nicht, dass Selbsthingabe etwas Positives ist, ohne die es
keine Liebe, kein Engagement, keine Kreativität gäbe. Hat uns nicht auch die gegenwärtige Krise
deutlich vor Augen geführt, dass der Mensch sich nicht aus eigener Kraft erlösen kann? Dass der
Mensch die Welt viel weniger im Griff hat, als wir dachten? Dass der Tod das Geheimnis bleibt,
das keine Impfung beheben kann? Es ist Gott, der uns rettet, und die Heilige Schrift erinnert uns
daran, dass Glauben an ihn mehr ist als ein möglicherweise auch innerlich distanziertes Für-wahr-
Halten. Es geht um Vertrauen, es geht um ein Sich-Festmachen in Gott, dem Größeren, der allein
nicht in die Vergänglichkeit unseres Daseins eingesponnen ist. Lehrt uns nicht auch das Leben,
dass Glaube im Sinne von Vertrauen der Anfang von Veränderungen ist? Der Anfang einer
Partnerschaft — sei es im Privaten, sei es im Beruflichen —, ist, dass Menschen aneinander
glauben und dass sie so gemeinsam einen Weg gehen können: als Ehepartner oder eben als
berufliche Partner, die miteinander etwas bewegen und erreichen können. Auch wenn ich in
meinem eigenen Leben etwas verändern will, beginnt dies damit, dass ich mir selbst, meinen
eigenen Kräften und Fähigkeiten vertraue, und wahrscheinlich auch Menschen, die mich ermutigen
und begleiten. Und gerade wenn die Durchhänger, die Rückschläge kommen, die ja unvermeidlich
sind, dann kommt es wieder auf diesen Glauben an. Vertraue ich meinen bzw. unseren Kräften
und Ideen noch? Nur dann habe ich die Kraft weiterzumachen. So sei unserer ins Handeln
verliebten Zeit ins Stammbuch geschrieben: Es ist der Glaube, auf den es ankommt. Es ist der
Glaube, dem die Kraft innewohnt, etwas zu verändern. Und angesichts unserer Grenzen: es ist der
Glaube an Gott, der uns rettet.
In unserer Zeit scheint man das vielfach anders zu sehen. Da kommt es nur aufs Handeln an,
Glaube ist gleichgültig. Doch was wir glauben, prägt unser Handeln, gerade unser unbewusstes
Handeln. Heute scheint man mehr und mehr darauf versessen zu sein, Menschen nach ihren
guten Taten zu messen, sei es im Umweltschutz oder ähnlichem So erzeugt man nur
Unbarmherzigkeit und Heuchelei. Das Leben selbst hilft uns doch zu verstehen: Es ist der Glaube,
dem die Kraft innewohnt, etwas zu verändern. Und angesichts unserer Grenzen: es ist der Glaube
an Gott, der uns rettet. Es ist Gott, der uns rettet.