Das Planen des Unplanbaren …

17. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C; Lk 11, 1–13)

Lieber Gott, mach, dass dies oder jenes klappt — das dürfte wahrscheinlich das Gebet sein, das Menschen am häufigsten sprechen. Auch wer sich selbst als nicht religiös bezeichnet, mag sich gelegentlich bei einem solchen Stoßgebet ertappen. Einerseits scheint das Beten, die Suche nach dem Beistand einer höheren Macht tief in uns verwurzelt zu sein, tiefer als mancher einzugestehen bereit ist, anderseits muss jeder damit leben, dass seine Gebete auch einmal nicht erhört werden — besonders der Glaubende, der aus tiefer Überzeugung und nicht nur aus einer Stimmung heraus betet. Die Frage scheint unausweichlich: Warum also soll man beten, wenn man ohnehin nicht — oder wenigstens nicht immer erhört wird?

Gewiss gibt es viele — durchaus auch einleuchtende — Erklärungen. Gott ist kein Wunschautomat — wie jeder menschliche Freund übrigens auch nicht. Gott ist größer, als wir jemals verstehen können, er erhört uns auf eine Weise, die wir uns nicht vorstellen können. Und doch — seien wir ehrlich — ein gewisses Unbehagen bleibt, gerade wenn Menschen aus einer tiefen Not heraus beten, und Gott diese Not eben nicht wendet. „Herr, lehre uns beten“, sagt einer der Jünger zu Jesus, und vielleicht erhofft auch er sich Antwort auf solche Fragen. Jesus lehrt seine Jünger nicht nur ein bestimmtes Gebet, das Vater Unser, sondern erläutert auch den Sinn des Betens durch Gleichnisse, die er erzählt. Da ist zunächst einmal der bittende Freund, der aufgrund der Freundschaft oder einfach seiner Zudringlichkeit nicht abgewiesen wird. Doch, Moment, heißt das, dass der, der besonders nachdrücklich betet, erhört wird? Abgesehen davon, dass die Not vieler, die flehentlich zu Gott gerufen haben, nicht abgewendet wurde, wäre Gott dann nicht doch eine Art Wunschautomat? Du hast den Knopf halt nicht fest genug gedrückt? Es braucht mehr Nach-Druck? Sehen wir weiter. Nun begegnet das Bild eines Vaters, der seine Kinder natürlich nicht übers Ohr haut, sondern ihnen „gute Gaben“ gibt. Und was ist nun das Gute, das der Himmlische Vater zu geben hat? Der Vater im Himmel wird denen den Heiligen Geist geben, die ihn bitten, sagt Jesus. Ist das also die Lösung? Wir bitten immer um das Falsche: um Gesundheit und Wohlergehen — aber eigentlich sollten wir um den Heiligen Geist bitten, den der Vater gern zu geben bereit ist?! Offenbar liegt eine sanfte Pädagogik in dem, was Jesus da lehrt. Auch das Vater Unser enthält zwar die Bitte um das tägliche Brot, allerdings überwiegen andere Bitten, die auf das Reich Gottes zielen, nicht auf alltägliches Wohlergehen.

Ist das also unsere Erkenntnis? Mit Nachdruck um den Heiligen Geist bitten, dann wird es schon? Ich will es ebenfalls mit einem Bild versuchen. Stellen Sie sich vor, Sie planen ein großes Fest, vielleicht eine Hochzeit oder einen runden Geburtstag. Sie freuen sich, dass Corona-Maßnahmen endlich ein solches Fest erlauben. Sie wollen nichts Übertriebenes, aber es soll für alle ein schöner Tag werden. Sie überlegen sich genau, wer neben wem sitzt, damit es passt, was es zu essen gibt usw. Der Tag kommt — und am Ende des Tages gestehen Sie sich ein, dass das Fest eine Enttäuschung war. Vielleicht hat es doch einen Streit gegeben, der alles überschattet hat, vielleicht war es auch einfach eine trübe Veranstaltung. Dabei haben Sie sich doch alle Mühe gegeben. Es hat halt nicht sollen sein, möglicherweise waren auch die Erwartungen zu hoch. Man kann das Gelingen eines solchen Festes eben nicht machen. So wie ein solches Fest ist auch Beten immer das Planen des Unplanbaren. Nicht nur bei einem Fest, sondern letztlich ist jeder Plan das Planen des Unplanbaren, denn niemand von uns kann in die Zukunft schauen. Man kann vieles planen, muss es auch, trägt so zum Gelingen bei, aber letztlich muss man zugeben, dass zu jedem Gelingen etwas hinzukommen muss, was wir sozusagen durch unser Planen vorbereiten, einladen, aber nicht machen können. So wie bei einem Fest eben einmal der Funke überspringt und ein andermal eben nicht. Das Leben lehrt uns, dass der Mittelweg das Richtige ist. Ein Übermaß an Planung erdrückt vieles, weckt falsche Hoffnungen und übersieht das Unplanbare. Der gänzliche Verzicht auf Planung führt dagegen ins Chaos und verschwendet die Möglichkeiten, die Menschen gegeben sind. Nicht anders ist das Beten auch, es ist das Planen des Unplanbaren, das Einladen Gottes in unser Leben, das Bereiten eines Platzes, das Schmieden eines Planes. Und doch ist das Miteinander unplanbar, eben das macht Leben aus, darum ist Freundschaft ein Geschenk und nicht einfach das Ergebnis eines exakten Plans.

Und was bleibt nun von der sanften Pädagogik Jesu, die wir in seinen Gleichnissen entdeckt haben? Wenn Beten das Planen des Unplanbaren ist, dann geht es Jesus darum, dass wir mehr und mehr bereit sind, dieses Unplanbare anzunehmen, dass wir mehr und mehr bereit sind, Gottes Gegenwart in unserem Leben in der Weise anzunehmen, in der er sie uns schenkt. Der Vater gibt den Heiligen Geist denen, die ihn darum bitten, sagt Jesus. Der Geist ist ja eben Gott in seiner Nicht-Fassbarkeit. Ich weiß, dass das sehr viel einfacher gesagt als getan ist, wenn man Not erlebt, die Gott nicht wendet. Mir bleibt da nur zu sagen, dass Gott selbst diese Erfahrung gemacht hat. Am Ölberg hat Jesus darum gebetet, dass er nicht leiden muss. Er hat selbst erfahren, dass dieses Gebet so nicht erhört wurde, und hat sein Schicksal in die Hände des Vaters gelegt. Die Not wird ohne Gott nicht geringer.

Solche manchmal sehr bitteren Erfahrungen lassen Menschen fragen, warum sie überhaupt beten sollen, da sie doch oft nicht erhört werden. Die Lebenserfahrung hilft uns weiter. Wir schmieden Pläne für die Zukunft und müssen doch einräumen, dass diese unplanbar ist. Der Mittelweg ist der Richtige. Zu viel Planung erdrückt, zu wenig endet im Chaos und verschwendet Möglichkeiten. Wir müssen das Unplanbare planen — dasselbe das gilt auch für das Beten. Es ist das Planen des Unplanbaren, das Einladen Gottes in unser Leben. Wir bereiten ihm einen Platz, ohne ihm diesen anweisen zu können. Freundschaft ist immer ein Geschenk. Jesus lädt uns ein, dieses Unplanbare mehr und mehr anzunehmen, anzunehmen, wie Gott in unser Leben eintritt.