Erfahrungen, die den Glauben stärken

2. Fastensonntag (Lesejahr C; Gen 15, 5–12.17–18; Lk 9, 28b–36)

Glauben heißt nichts wissen, sagt der Volksmund und bekundet so seine Zweifel gegenüber dem Glauben. Auch wenn Glauben im religiösen Sinne keine unvollkommene Form des Wissens ist, sondern eine Form des Vertrauens, greift dieser Zweifel um sich. Wir leben in unsicheren Zeiten — und das nicht erst seit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Diese Erschütterung kann auch unseren Glauben in Frage stellen. Die Lesung aus dem Buch Genesis lehrt uns, dass wir als Glaubende nach dem fragen dürfen, was uns hilft zu glauben — vielleicht manchmal auch müssen. Abram — den uns vertrauten Namen Abraham bekommt er erst später — glaubt, und Gott nimmt diesen Glauben an. Und offensichtlich wird es nicht als Widerspruch erfahren, dass Abram dann auf die Verheißung, dass Gott ihm dieses Land geben wird, fragt, woran er das erkennen soll? Abram glaubt, und doch fragt er nach dem Zeichen, nach dem, was ihm hilft zu glauben. Was sind unsere Zeichen? Was hilft uns zu glauben?

Es gibt sicher Erfahrungen in Menschen, die so tief, so berührend und in gewissem Sinne so einfach sind, dass der Glaubende sie ganz unmittelbar als Zeichen der Nähe Gottes annimmt. Dies soll in keiner Weise bestritten oder auch zerredet werden. Und doch sind solche Erfahrungen wohl kaum die Regel. In anderen Situationen wird man — vor allem durch sich selbst — mit der Frage konfrontiert, ob dies wirklich ein Zeichen der Nähe Gottes ist oder ob man sich etwas einredet. Fragen wir also wie Abram: Woran soll ich das erkennen? Was sind denn Erfahrungen, die uns wirklich im Glauben stärken?

Sehen wir uns die Erfahrung des Abram nochmal genauer an. Das Opferritual dieses mehr als zwei Jahrtausende alten Textes erscheint uns fremd, doch für jene Tage waren solche Opferrituale der Weg, die Gemeinschaft mit dem Göttlichen zu suchen. Abram fällt in einen tiefen Schlaf, und zweimal heißt es, dass es dunkel geworden ist. Es geht um eine tiefere Bewusstseinsebene und um Gefahr. Dunkel und Nacht waren damals Bilder für Gefahr und Unsicherheit, Orientierungslosigkeit. Und in dieses Dunkel bringt der Herr eine lodernde Fackel, ein Licht, das das Dunkel vertreibt. Ist das nicht manchmal eine Erfahrung, die man machen kann? Nicht einfach nur, dass einem das sprichwörtliche Licht aufgeht? Sondern dass man — vielleicht ganz plötzlich und doch ganz unspektakulär — einen neuen Blickwinkel geschenkt bekommt? Man ist möglicherweise über dies oder jenes unzufrieden. Und dann sieht man plötzlich die Dinge anders, man macht einen Spaziergang, hat einen Moment der Ruhe, und erkennt, dass Leben nur gelingt, wenn man Grenzen annimmt, wenn man sich an dem, was ist, an Kleinigkeiten freuen kann. Das sind keine absolut neuen, revolutionären Einsichten, aber darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, dass sie mich wirklich erreichen, dass ich ihre Wahrheit erfahre und sie so leben kann. Dann erfahre ich auch, dass die Welt mehr ist als mein Blickwinkel, dass hier eine größere Weisheit waltet, die mich so berührt hat. Eine Weisheit, die wir als Glaubende Gott nennen.

Eine ganz ähnliche, verwandte Erfahrung ist eben die, dass man diese Weisheit, die das Leben trägt und in dieser Welt wirkt, erfährt und gerade so zu sich selbst findet. Heutzutage glaubt man offensichtlich, je bunter und auffälliger man sich gibt oder im Internet inszeniert, desto mehr holt man gewissermaßen aus dem Leben heraus, desto mehr geht man seinen eigenen Weg. Doch dies scheint mir eher ein verzweifelter Kampf um Aufmerksamkeit, der letztlich dazu führt, dass man mehr und mehr eine Rolle spielt, weil man eben das tut, von dem man denkt, es bringt Aufmerksamkeit und wird als Individualität anerkannt. Die tiefere Wahrheit ist doch die, dass man gerade indem man scheinbar alltägliche, ja banale Weisheiten lebt, zu sich selbst kommt: beispielsweise indem man andere behandelt, wie man selbst behandelt werden möchte usw. Dass ich gerade so, indem ich diese letzten Weisheiten, die überall auf der Welt bekannt sind, lebe, zu mir selbst finde, ist ein Fingerzeig auf jene letzte Weisheit, die in der Welt wirkt und uns ins Leben stellt und berührt. Eine Weisheit, die wir als Glaubende Gott nennen.

Eine besondere und tiefe Erfahrung machen auch die Jünger, als sie Zeugen der Verklärung Jesu werden. Es ist eine tiefe, aber offenkundig auch eine verwirrende Erfahrung. Auch sie fallen — wie Abram — in einen Schlaf und begegnen dem göttlichen Licht. Zunächst wollen sie die Erfahrung festhalten, Hütten bauen, was aber nicht geht, nicht der Sinn dieser Erfahrung ist. Sie ist Stärkung auf dem Weg nach Jerusalem, der sich als Weg ans Kreuz entpuppen wird. Doch die Verwirrung ist nicht zu Ende, als sie erfahren, dass dieser Moment nicht festgehalten werden kann. Sie schweigen zunächst über ihre Erfahrung, können sie nicht einordnen. Wohl erst im Rückblick von Tod und Auferstehung Jesu erschließt sich dieser Moment, in dem beides schon aufleuchtet, der Kreuzestod, von dem Jesus mit Mose und Elisa spricht, aber auch die Auferstehung im göttlichen Licht, das ihn umgibt. Gibt es nicht auch solche Erfahrungen, deren Tragweite uns im Rückblick erst deutlich wird? Deren Tiefe sich uns erst nach und nach erschließt? Manche Erfahrungen sind auch so reich, dass wir bestimmte Seiten erst nach gewisser Zeit erkennen. Auch das ist ein Zeichen für die Unerschöpflichkeit und Tiefe jener Weisheit, die in der Welt wirkt, die uns berührt und die wir als Glaubende Gott nennen.

Wie Abram dürfen auch wir als Glaubende nach den Zeichen fragen, die uns helfen zu glauben. Manchmal erfährt man einen Moment, indem einem ein neuer Blickwinkel geschenkt wird. Alltägliche Weisheiten wie das Annehmen der eigenen Grenzen berühren einen so, dass sie zum Leben kommen. Oder man erlebt, dass man gerade so zu sich selbst kommt, indem man solche Weisheiten lebt, indem man beispielsweise andere so behandelt, wie man selbst behandelt werden möchte. Manchmal gibt es auch Erfahrungen, deren Reichtum uns erst im Nachhinein stärkt, deren Tiefen wir zunächst gar nicht ahnen. All das sind Zeichen dafür, dass eine Weisheit in der Welt wirkt, die uns ins Leben stellt und berührt. Eine Weisheit, die wir als Glaubende Gott nennen.