Einheit gelingt nicht nur mit Befehl und Gehorsam …

2. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C; 1 Kor 12, 4–11; Joh 2, 1–11)

Synodalität heißt ein Stichwort, das man in unserer Kirche gerade häufig hören kann. Was das dann heißt, wissen wahrscheinlich viele nicht, aber wir leben ja nicht in einer Zeit des tief schürfenden Wissens, sondern der Schlagworte und Überschriften — ein wenig zugespitzt gesagt. Für diejenigen, die etwas wissen oder meinen etwas zu wissen, heißt Synodalität wahrscheinlich, dass weniger von oben herab und mehr durch Gespräch und Diskussion entschieden wird, und meist auch, dass es regionale Unterschiede in der Kirche gibt anstatt eines römischen Zentralismus. Anderseits beklagt man sich über Vielstimmigkeit in der Kirche, über Bischöfe, die öffentlich abweichende Meinungen äußern, gleichzeitig nehmen die Spaltungen in der Kirche ganz offensichtlich zu. In der Lesung aus dem ersten Korintherbrief begegnet uns — bei aller rechtmäßigen und notwendigen Vielstimmigkeit — die Mahnung zur Einheit. Im Evangelium trifft uns dann die schlichte Mahnung der Mutter Jesu: Was er — Jesus — euch sagt, das tut! In früheren Zeiten war die Einheit der Kirche durch Hierarchie und Gehorsam gesichert. Kann es eine Einheit in der Vielstimmigkeit auch heute geben— ohne das stramme Prinzip von Befehl und Gehorsam?

Einheit in der Vielfalt ist ein anderes Schlagwort, das man — gerade auch in kirchlichen Zusammenhängen — heutzutage häufig hören kann, das — wie viele Schlagworte — alles und nichts bedeuten kann. Einerseits rufen uns die biblischen Texte — so auch die heutige neutestamentliche Lesung — zur Einheit auf, andererseits leben wir in einer Zeit, die eher Pluralität und Vielstimmigkeit schätzt. Irgendwie soll halt beides zusammengehen, irgendwie ruft ja auch Paulus zur Einheit in der Vielfalt. Irgendwie … Versuchen wir Paulus genauer zuzuhören. Korinth ist offenbar eine schwierige und vielstimmige Gemeinde, und Paulus erinnert sie daran, dass die Vielfalt der Gaben und Begabungen, auf die sie wohl auch stolz sind, in dem einen Gott wurzelt. Eine Kirche ohne Einheit ist weniger glaubwürdig in der Verkündigung des einen Gottes. In den Abschiedsreden des Johannes-Evangeliums mahnt Jesus die Glaubenden aus einem ganz bestimmten Grund zur Einheit: damit die Welt glaubt. Paulus betont, dass die Vielfalt der Begabungen gegeben ist, damit sie anderen nützt. Das scheint mir der Schlüssel zu sein. Meine Begabung dient dem anderen, soll ihm nützen. Einheit in der Kirche kann gelingen, wenn wir hören, was der andere braucht. Es geht nicht einfach um die Argumente des anderen, um einen Streit ohne Ende: ich sehe das so aus diesem und jenem Grund, ich sehe das aber anders … usw. Es geht an dieser Stelle nicht um Meinungen und Standpunkte, sondern darum, was der andere braucht. Der eine sucht Gebetsgemeinschaft, der andere geistige Anregung, der dritte einfach nur Stille. Nichts von dem, was ich sage, ist ein Zaubertrick, der die Situation von Kirche plötzlich verändert, das ist mir sehr klar. Es kann bestenfalls ein Anfang sein, um mehr Einheit zu leben: indem ich höre, was der andere braucht.

In der Heiligen Schrift ist generell viel vom Hören die Rede: hören auf den Herrn, hören auf Jesus — so im heutigen Evangelium — oder auch hören auf den Apostel. Paulus ist ein Mann, der auch Gehorsam gegenüber seiner Autorität als Apostel einfordern kann. Da Jesus schon in der Zeit des Neuen Testaments nicht mehr als Mensch unter Menschen weilt, rücken mehr und mehr die Kirche und ihre Amtsträger in den Blickpunkt, auf die es nun zu hören galt. Hier wird der Mensch unserer Zeit höchst allergisch. Auf eine Institution zu hören scheint gänzlich undenkbar, gerade auch heute, da die Kirche sich durch Skandale unglaubwürdig gemacht hat. Im Evangelium mahnt die Mutter Jesu die Diener, auf Jesus zu hören — und was geschieht? Das Hochzeitsfest kann weitergehen, weil Wasser zu Wein geworden ist, weil ein Wunder geschehen ist. Das Hochzeitsfest ist im Alten Testament ein vertrautes Bild für die Gemeinschaft der Menschen mit Gott. Vielleicht kann man dieses Wunder auch so deuten: dass im Hören auf Jesus sich das Wunder der Gemeinschaft der Glaubenden mit Gott ereignet, das Wunder der Kirche. Dass Kirche ist, ist tatsächlich ein Wunder, eben weil sie trotz so vielen menschlichen Versagens in all den Jahrhunderten nicht untergegangen ist. Oder wie es ein Witz ein wenig schlicht sagt: Warum ist das Schiffen Petri noch nicht untergegangen? Weil es von so vielen Nieten zusammengehalten wird!

Statt „Hören auf die Kirche“ würde ich zuerst sagen: hören, wer die Kirche ist. Das müssen wir, wenn wir auch heute Glaubende sein wollen. Hören, wer die Kirche ist: es gibt eine Fülle an Überlieferungen, nicht nur in der Theologiegeschichte, aber auch da kann man überrascht sein, dass mancher mittelalterliche Denker Kluges zu Themen gesagt hat, die auch heute aktuell sind. Ich denke aber auch an die unzähligen Heiligenbiographien, die gerade in ihrer Buntheit Spannendes bieten oder an die Kirchenbauten, die in ihrer Unterschiedlichkeit vieles über den Glauben zu erzählen haben — wenn man sich damit beschäftigt. Gewiss kostet das Zeit, aber wenn alles immer zu viel ist, dann braucht man sich auch über den Schwund des Glaubens und den Schwund vertrauter kirchlicher Strukturen nicht zu beklagen.

Hören wer die Kirche ist, soll letztlich natürlich auf eines zielen: hören, wer Gott ist. Auch hier kann sich der moderne Mensch immer weniger vorstellen a u f Gott zu hören, aber ich sage wieder, es geht zuerst darum zu hören, wer Gott ist. In der Heiligen Schrift, in den Überlieferungen der Heiligen, in der Atmosphäre eines Gotteshauses kann seine Gegenwart aufblitzen. Wenn ich wirklich ahne oder gar höre, wer er ist, zieht mich das an, so wie ich mich an einem kalten, klaren Tag ganz unwillkürlich nicht in den Schatten, sondern in die Sonne stelle.

Die Einheit der Kirche zu leben ist zu allen Zeiten schwierig, aber vor allem in einer Zeit, die besonders Vielfalt und Diversität schätzt. Natürlich braucht es die Vielfalt der Begabungen und Prägungen, wie es Paulus ja auch betont, damit ein Miteinander möglich wird, aber es braucht auch das Hören. Es braucht das Hören auf das, was der andere braucht, nicht nur das Hören auf seine Argumente und Standpunkte. Es braucht das Hören, wer die Kirche ist in ihrem Reichtum. Und in all dem kann so das Hören, wer Gott ist, geschehen. Dann geht es nicht mehr darum, ob es ein Problem ist, a u f ihn zu hören. Er zieht mich an, wie ich mich an einem kalten, klaren Tag in die wärmende Sonne stelle.