Was ich gebe, bringt im anderen Frucht

26. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C; Am 6, 1a.4–7; Lk 16, 19–31)

„Das Fest der Faulenzer ist vorbei“, die harten Worte des Propheten Amos treffen uns heute vielleicht noch einmal in besonderer Weise. Wie wahrscheinlich noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg ist unser Wohlstand gefährdet, und wir gehen ungewissen Zeiten entgegen. Klingen da die Worte des Amos, klingt da das Gleichnis Jesu nicht, als würden wir verhöhnt? Recht geschieht es den Reichen, den Wohlhabenden, wenn es bergab geht — und zumindest im weltweiten Vergleich sind wir das. Der Tisch unserer Erntegaben, für den wir heute danken, ist immer noch reich gedeckt. Und doch fürchtet sich mancher vor der Heizrechnung oder bangt um seinen Arbeitsplatz. Hat uns da die christliche Botschaft überhaupt noch etwas zu sagen? Welchen Halt gibt die christliche Hoffnungsbotschaft in solchen Zeiten materieller Sorgen?

Das Evangelium enthält gewiss nicht einfach Rezepte zur Mehrung des Wohlstands, ja zeigt sich Besitz und Reichtum eher kritisch gegenüber, da Reichtum und Besitz die Neigung haben Menschen zu trennen: vom anderen, von Gott — und am Ende von sich selbst, wie das Gleichnis Jesu aufzeigt. Und trotzdem oder viel eher deswegen haben sich Päpste und Theologen in den rund 100 Jahren zwischen Papst Leo XIII. und Papst Johannes Paul II. bemüht, Eckpfeiler für eine gerechtere Wirtschaftsordnung aus dem Evangelium heraus zu entwickeln. Es geht darum, die Freiheit des Menschen, dem als Gottes Ebenbild diese Welt anvertraut ist, anzuerkennen und zugleich zu verstehen, dass eben dieser Mensch im Mittelpunkt stehen muss und nicht von namenlosen wirtschaftlichen Interessen verdrängt werden darf. Dennoch ist das Evangelium keine Anleitung, um Wohlstand zu erwerben, ja sieht ihn — wie schon gesagt — eher kritisch. Bleibt also die christliche Botschaft leer und bedeutungslos für den, der von materiellen Sorgen umgetrieben ist?

Interessanterweise ist der christliche Glaube ja in den Teilen der Erde besonders lebendig, denen es materiell deutlich schlechter als uns geht, während in den wohlhabenderen Teilen der Welt eher religiöse Gleichgültigkeit herrscht. Ich will das Argument nicht überstrapazieren, so nach dem Motto: Es muss uns wieder richtig schlecht gehen, dann …, aber es ist doch zumindest ein Fingerzeig, dass es sich lohnt genauer hinzuschauen, was die christliche Hoffnungsbotschaft bedeuten kann. Was Jesus in seinem Gleichnis anprangert — und ganz ähnlich Amos —, ist ganz offensichtlich die Gleichgültigkeit des Reichen, der nicht einmal bereit ist, von dem zu geben, was vom Tisch herabfällt. Die Hürde ist also recht niedrig gestellt. Es wird nicht erwartet, dass der Arme eingeladen wird, es geht nur um ein kleines bisschen vom Überfluss des Reichen. Letztlich scheint die Botschaft des Evangeliums klar: Nur wer teilt, gewinnt. Wer immer alles für sich behalten will, der verliert am Ende. Wer teilt, gewinnt, heißt auch: Wer teilt, gewinnt an Hoffnung, an Zuversicht, an Lebenskraft.

Nun erscheint das manchem vielleicht banal, ja, das mit dem Teilen haben wir schon tausendmal gehört. Da könnte man spontan entgegenhalten: und funktioniert es auch? Ernsthaft? Oder man kann etwas grundsätzlicher fragen: Warum gewinnt der, der teilt? Ist es nicht eher so, dass der, der teilt, verliert? Er verliert Geld, er verliert Zeit, eben das, was er gibt. Und ist das nicht der Grund, warum es mit dem Teilen — trotz tausendfachem Hören — eben doch nicht so klappt? Ich will behalten — nicht einfach mein Geld, sondern auch meine Zeit, wenn ich sie teile, dann mit meiner Familie. Doch im Evangelium geht es um das Teilen nicht mit denen, die mir nahestehen, sondern mit dem Bedürftigen, nicht mit der eigenen Familie. Für die eigene Familie will der Reiche ja sorgen, er erinnert Abraham an seine Brüder. Teilen wird — entgegen aller Sonntagsreden — eben doch häufig als Verlust empfunden, jedenfalls wenn es nicht um die Eigenen geht. Und doch gibt es natürlich auch die andere Erfahrung, dass Menschen, die geben, sich bereichert fühlen. Was stimmt nun?

Vielleicht ist das Säen eines Samenkorns ein gutes Bild. Wer sät, gibt den Samen weg, er verschwindet in der Erde, doch dann geht er auf und bringt neue Frucht. Wenn ich etwas von mir gebe, kann es in einem anderen eine Frucht bringen, die es in mir niemals bringen könnte. Das mag für Besitz gelten. Aber es gilt auch für Zeit, für Begabungen, die ich mit anderen teile. Was hat dem anderen diese Stunde an Freude gebracht, die ich mit ihm verbracht habe! Für mich wäre es vielleicht nur eine weitere Stunde vor dem Fernseher oder am Handy gewesen. Wie schön ist es, wenn man eine Begabung teilen kann, wenn man erlebt, wie andere lernen und dann Neues schaffen, das man selbst nicht gekonnt hätte. Wer teilt gewinnt, weil das, was er gibt, im anderen Früchte trägt, die es in ihm nicht hätte bringen können. Oder um es mit einem anderen Bild zu sagen: Wer ein Kind — auch mit den besten Absichten — einsperrt, anstatt es frei zu geben, wird nicht erfahren, dass dieses Kind reift und wächst und ihm Freude bereitet. Wer teilt, gewinnt.

Ich gebe gern zu, dass dies kein Rezept, keine Technik ist, um die Gesellschaft zu verändern, dass schnell Detail-Fragen auftauchen, die das Ganze kompliziert machen. Doch ich habe den Eindruck, dass es — wenn man sich ein wenig umschaut — durchaus nicht wenige Rezepte und Techniken gibt, das Problem scheint mir eher grundsätzlich zu sein. Nach welchen Maßstäben beurteilen wir die jeweiligen Rezepte? Wer sind wir eigentlich? Was wollen wir? Und hier sagt uns das Evangelium, dass wir nicht aus uns selbst sind, dass wir aus Gott sind, seine Söhne und Töchter, dass wir vor ihm Verantwortung haben, dass wir gewinnen, wenn wir teilen.

Das Evangelium ist kein Rezept zum Erwerb von Wohlstand, es bleibt dem Wohlstand kritisch gegenüber, da dieser die Neigung hat zu trennen: vom anderen, von Gott und am Ende von sich selbst. So mag mancher sich in seinen Nöten von der „Frohen“ Botschaft allein gelassen fühlen. Doch die Frohe Botschaft sagt: wenn ich gebe, gewinne ich. Das muss nichts Materielles sein, gerade wenn ich selbst wenig habe, oft sind Zeit und Aufmerksamkeit wichtiger. Doch so wächst etwas Größeres, weil meine Gabe im anderen Frucht bringt. So wächst Hoffnung, die am Ende stärker ist als der Tod.