Die Spannung zwischen Hoffnung und harter Wirklichkeit

Erscheinung des Herrn (Dreikönig; Jes 60,1-6; Mt 2,1-12)

Am Beginn des neuen Jahres neigen die meisten Menschen wohl dazu, in irgendeiner Weise nach Hoffnung Ausschau zu halten. Der neue Kalender ist — vielleicht — noch leer und bringt neue Möglichkeiten. Hoffentlich wird es besser, sagt man sich wahrscheinlich besonders in diesem Jahr. Einem geradezu poetischen Text der Hoffnung sind wir in der ersten Lesung begegnet. Den in Dunkel und Finsternis sitzenden Völkern geht strahlend ein Licht auf: die Herrlichkeit des Herrn. Mag das Dunkle noch so groß und mächtig erscheinen, die göttliche Fülle überstrahlt letztlich alles. Das Evangelium hingegen taucht uns in eine neue Atmosphäre. Die Sterndeuter folgen nun diesem Licht — und begegnen der Realpolitik des Königs Herodes, werden hineingezogen in seine Intrigen, in den Versuch das neugeborene Jesuskind aus dem Weg zu räumen. Das war’s dann wohl mit der Hoffnung … Ist das nicht oft genug das Schicksal der Hoffnung? Irgendetwas ermutigt einen, beflügelt vielleicht sogar, man ist voller Hoffnung — und dann folgt die harte Landung im Alltag. Hoffnung erscheint wie ein naiver Traum, der der harten Wirklichkeit nicht gewachsen ist. Wie kann Hoffnung diese harte Landung überstehen, wie lässt sie sich im Alltag erhalten?

Beobachtet man die Sterndeuter genau, fällt auf, dass sie eben nicht in die Falle des Herodes tappen. Offensichtlich sind sie Menschen der Hoffnung, wenn sie sich — einem Stern folgend — auf einen solchen langen Weg machen und so die uralte Prophezeiung aus dem Buch Jesaja erfüllen, aber sie sind offensichtlich auch kluge Menschen. Sonst hätten sie einen so langen Weg auch kaum bewältigt, möchte ich ganz unwillkürlich hinzufügen. Sie scheuen sich nicht, ganz direkt in Jerusalem nachzufragen, und nehmen die Einladung dieses ihnen unbekannten Königs an. Es ist eben nicht klug, einen solchen Machthaber unnötig zu reizen. Im Endeffekt lassen sie sich aber nicht für seine Intrigen vor den Karren spannen, sie ziehen auf einem anderen Weg heim in ihr Land. Sie halten sich raus, das politische Spiel des Herodes geht sie nichts an. In den Sterndeutern begegnet uns eine Haltung, die entscheidend dazu beiträgt, Hoffnung im Alltag zu erhalten: Klugheit. Damit ist nicht Intelligenz als eine Art von Begabung gemeint, sondern jene Tugend, die die Antike zu den vier wichtigsten Tugenden zählte. Es geht eher um eine aus der Erfahrung wachsende Fähigkeit, Situationen einschätzen zu können und so mit dem Leben zurechtzukommen. Es geht — vielleicht ein bisschen vereinfacht gesagt — darum, weder zu träumen noch zu tricksen. Die Sterndeuter zeigen es uns: Sie sind keine Träumer, die dem Leben nicht gewachsen sind, sie fragen nach dem Weg, nutzen die Informationen des Königs, aber sie glauben auch nicht, das Spielchen des Herodes besser spielen zu können als er selbst, sie erkennen — klugerweise —, dass das Ganze sie nichts angeht und weichen aus, ziehen auf einem anderen Weg heim in ihr Land. Das ist Klugheit: nachfragen, wo man Hilfe braucht, und manchmal einfach ausweichen, man braucht nicht jeden Konflikt mitmachen, erkennen, was mich nichts angeht. Diese Klugheit ist notwendig, damit Hoffnung im Alltag überlebt und nicht zum geplatzten Traum wird. Man kann sie zugegebenermaßen nicht einfach umschreiben, die Tugenden, zu denen die Antike die Klugheit zählte, meinen eine Tüchtigkeit, die aus Erfahrung und Gewohnheit hervorgeht, sie sind kein Handbuch, das man auswendig lernen kann, sie wachsen aus der Erfahrung — und das heißt auch aus dem Scheitern.

Nun mag man zwar einsehen, dass solche Klugheit der Hoffnung beisteht, um im Alltag zu überleben, aber warum gibt es eigentlich immer diesen Abstand zwischen der Hoffnung und der oft allzu harten Wirklichkeit? Warum kann Hoffnung sich nicht einfach erfüllen — und fertig? Ein bisschen zugespitzt gesagt: es gibt keine Hoffnung, die sich einfach vollständig erfüllt. Gewiss gibt es gelegentlich das Gefühl erfüllter Hoffnung, doch mit der Zeit gesellt sich die Erfahrung hinzu, dass es doch nicht einfach so ist, wie man es sich erhofft hat. Es bleibt immer eine Art Überschuss, der sich nicht erfüllt. Auch die Sterndeuter sind nicht einfach im schlichten Sinne die Erfüllung der Prophezeiung, dass nun von überall her Könige geradezu strömen, um die Herrlichkeit des Herrn zu suchen. Warum dieser Überschuss? Er zeigt an, dass wir Menschen bleibend auf Gott bezogen sind. Er allein ist letztlich die Erfüllung aller Hoffnung, in dieser Welt kann der Mensch diese Erfüllung niemals finden. Dieser Überschuss ist —so darf man annehmen — die Unruhe, die die Sterndeuter auf ihren Weg geführt hat. Der heilige Augustinus hat es in seinem berühmten Wort so formuliert: Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir, Gott.

So bleibt uns die Spannung zwischen der manchmal poetischen Hoffnung und dem nüchternen, manchmal harten Alltag erhalten. Aber ist diese Spannung nicht auch etwas Lebendiges, das fruchtbar werden kann? Wenn wir diese Spannung nicht grundsätzlich als etwas Furchtbares, Tragisches erleben, sondern vielleicht auch manchmal mit Gelassenheit und vielleicht sogar mit Humor nehmen, gerade dann kann sie fruchtbar werden. Wahrscheinlich mussten auch die Sterndeuter mit der Überraschung fertig werden, das göttliche Kind nicht in einem Palast zu finden, und vielleicht haben sie das mit einem Lächeln oder Schmunzeln zur Kenntnis genommen. Möglicherweise ärgert man sich furchtbar über die Verspätung eines Zuges und verpasst so die Gelegenheit zu einem netten oder sogar wichtigen Gespräch mit jemandem, der ebenfalls warten muss. Die Spannung zwischen Hoffnung und Alltag kann auch etwas Lebendiges, Fruchtbares sein.

Zu Beginn eines neuen Jahres mag man diese Spannung zwischen Hoffnung und Alltag besonders spüren. Die Sterndeuter zeigen uns einen Weg damit umzugehen: es braucht die Tugend der Klugheit, jene aus der Erfahrung gewachsene Fähigkeit, mit dem Leben fertig zu werden — ohne einfach zu tricksen oder nur zu träumen. Die Sterndeuter nehmen die Informationen des Herodes an, ohne sein Intrigenspiel mitzumachen. Trotzdem empfindet man diese Spannung gelegentlich als belastend, sie erinnert uns daran, dass sich die Hoffnung des Menschen im letzten Sinne niemals in dieser Welt erfüllt, nur in Gott. Diese Spannung zwischen Hoffnung und Alltag kann auch etwas Lebendiges, Fruchtbares sein. Gerade wo wir sie auch einmal mit Humor nehmen können, öffnen sich neue Möglichkeiten. Der Segen Gottes wird uns auch im neuen Jahr begleiten.