Aus Fehlern lernt man

Christi Himmelfahrt (Lesejahr B, Apg 1, 1–11; Eph 4, 1–13; Mk 16, 15–20)

„Wir kommen alle, alle in den Himmel“, so formuliert es ein alter Fastnachtsschlager. Mag der vielleicht eher alkoholgetränkten Zeiten vorbehalten sein, gibt er doch im Wesentlichen wieder, was offenbar nicht wenige glauben — wenn sie überhaupt noch an ein Leben nach dem Tod glauben. Dass ein solches an irgendwelche Bedingungen geknüpft sein könnte, scheint vielen jedenfalls unvorstellbar zu sein. Doch genau dies begegnet uns in den biblischen Texten des heutigen Festtags. Schon die zweite Lesung deutet an, dass die Hoffnung, die wir haben, uns durch die Taufe gegeben ist. Das Evangelium sagt es dann in nüchternen Worten: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet, wer nicht glaubt, wird verurteilt werden.“ Ach du liebe Zeit, was fangen wir jetzt damit an? Können wir noch glauben, dass die Erlösung, die Rettung, die der christliche Glaube verspricht, an Bedingungen geknüpft ist?

Diese Fragestellung führt uns in eine der schwierigsten theologischen Diskussionen hinein, die wir hier in keiner Weise entfalten können, aber auch nicht müssen. Grundsätzlich sind sich auch die verschiedenen Konfessionen einig, dass Erlösung immer ein Geschenk Gottes ist, also nicht etwas, das ich machen kann — eben das nennt man Gnade. Vielleicht hat die gegenwärtige Krise uns die Grenzen der menschlichen Machbarkeit und damit auch die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen neu vor Augen geführt. Aber in irgendeiner Weise muss der Mensch dieses Geschenk ja auch annehmen. Eben das ist die Haltung des Glaubens. Erlösung aus der Begrenztheit, aus der Endlichkeit dieses Daseins ist keine Einheitssoße, die einfach über jeden ausgegossen wird. Das Bild des Geschenks, das die zweite Lesung ja auch kennt, lässt uns dies genauer verstehen. Fragen Sie sich selbst: Was ist ein kostbares Geschenk? Eines, das man bewusst — vielleicht auch schön verpackt, vielleicht in einem feierlichen Rahmen — einem Menschen übergibt und dabei sehen und erleben kann, wie der andere es entgegennimmt und sich freut? Oder ist ein kostbares Geschenkt eines, das unbeachtet am Straßenrand steht mit der Aufschrift „Kostenlos zum Mitnehmen“ oder ein kostenloses Werbeblatt, das einem ungefragt in den Briefkasten geworfen wird? Die Antwort liegt auf der Hand. Ein kostbares Geschenk wird nicht einfach achtlos an den Straßenrand gestellt, sondern wird übergeben, dazu gehört, dass der Beschenkte es ernsthaft und bewusst annimmt. „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet“ — der Glaube ist die Annahme dieses Geschenks, das mir in der Taufe gemacht wird. Gerade wenn es im Regelfall der Glaube der Eltern und Paten ist, der hier sozusagen stellvertretend greift, bleibt jedem Getauften die Aufgabe, dieses Geschenk in seinem Leben und durch seinen Glauben anzunehmen. Verstehen Sie mich recht, das bedeutet in keiner Weise, dass Ungetaufte nicht gerettet werden. Es bedeutet, dass uns durch die Frohe Botschaft dieser Weg der Taufe und Glaubens gewiesen ist. Es wäre unsinnig, einen sicheren Weg nicht zu gehen, weil es vielleicht einen anderen gibt. Alles andere ist in Gottes Hand, dessen Wege unergründlich sind. „Wer nicht glaubt, wird verurteilt“ — was es heißt, dass jemand tatsächlich nicht glaubt und was dieses Urteil bedeutet, das bleibt zwischen Gott und diesem Menschen. Es steht nicht uns zu zu urteilen.

Was viele an dieser Sicht des Glaubens und der Erlösung stört, ist wohl auch, dass hier menschliche Strukturen ins Spiel kommen. Die Taufe ist ein Ritual der Kirche, sie begründet die Mitgliedschaft in der Kirche. Die zweite Lesung entfaltet dies, indem sie die Einheit der Kirche, die auch in der einen Taufe gründet, lehrt: „Ertragt einander in Liebe“ — offenbar war auch damals die Einheit nicht ganz einfach. Die unterschiedlichen Dienste und Aufgaben ergänzen sich und stärken und befähigen uns zu einem Leben als Christ. Die Kritik an den zweifellos vorhandenen Fehlern der Kirche verstellt manchmal den Blick darauf, dass für viele Kritiker das Wesen von Kirche ganz grundsätzlich fraglich geworden ist. Sie bezweifeln, dass es sinnvoll und möglich ist, dass Gott uns durch solche menschlichen Strukturen begegnen kann. Ganz offenbar widerspricht das dem biblischen Befund, wie u.a. die bereits betrachteten Texte zeigen, doch es leuchtet auch auf einer rein menschlichen Ebene kaum ein. Die erste Lesung erzählt, wie die Jünger staunend nach oben blicken, als Jesus in den Himmel aufgenommen wurde. Staunen kann schon eine religiöse Erfahrung sein, ein Berührt-Werden von einer tieferen Wirklichkeit. Manchen Menschen ist solch eine Erfahrung nicht fremd: das Staunen angesichts des neuen Lebens bei der Geburt eines Kindes, das Staunen über die Schönheit der Natur. Doch dieses Staunen bleibt irgendwie offen, mehrdeutig und verweht schnell im Alltag. Es braucht das deutende Wort, das mir ein anderer sagt. So wie die Jünger durch das Wort der Engel gewissermaßen auf die Erde zurückgeholt werden und sich ihres Auftrags erinnern. Für uns ist dieses deutende Wort das Wort der Kirche, das — wie ich schon mehrfach gesagt habe — verhindert, dass wir uns unter der Hand unsere eigene Frohe Botschaft basteln.

Ich bin überzeugt, dass es in Wirklichkeit gerade auch die Unvollkommenheit und Gebrochenheit des kirchlichen Zeugnisses ist, dass uns hilft, die Frohe Botschaft anzunehmen. In der Schule ist es auch so, dass Schüler mehr lernen, wenn sie nicht einfach ein fertiges Ergebnis an der Tafel präsentiert bekommen, das sie übernehmen müssen. Sie lernen mehr, wenn sie selbst entdecken müssen und dabei begleitet werden. Sie lernen auch, wenn sie zwischen Richtig und Falsch unterscheiden müssen, ja vielleicht sogar beim Lehrer einen Fehler entdecken. Aus Fehlern lernt man — so heißt es doch. Gerade auch die Unvollkommenheiten des kirchlichen Zeugnisses können tiefer in die Frohe Botschaft hineinführen.

Auf den ersten Blick mag es erschrecken, dass die biblischen Texte Bedingungen für die Rettung des Menschen formulieren. Gewiss ist diese ein Geschenk Gottes, aber gerade ein kostbares Geschenk wird nicht achtlos an den Straßenrand gestellt — kostenlos zum Mitnehmen —, sondern wird übergeben, so dass es der Beschenkte auch bewusst annimmt. Dieses Annehmen ist der Glaube. Dass dieses Geschenk uns durch die menschlichen Strukturen der Kirche gemacht wird, befremdet manchen, der auf die Unvollkommenheit der Kirche schaut. Doch gerade, wenn man als Schüler — begleitet vom Lehrer — selbst etwas entdeckt, gerade auch einen Fehler entdeckt, lernt man am besten. Aus Fehlern lernt man.